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Projektberichte

16.01.2015
Ein Spaziergang mit dem Buchautor und Landessynodalen Siegfried Eckert
Interessante Gesprächspartner trifft man in Sitzungspausen nicht nur vorm Plenarsaal

Wer auf einer rheinischen Landessynode interessante Menschen treffen will, der geht tagsüber ins Plenum und abends (auf ein Bier) in die "Bayerische Botschaft". Oder mittags einfach mal an der Ahr entlang. Dort begegnet mir Siegfried Eckert, „Dorfpfarrer aus Bonn“, wie er sich selbst gern nennt. Dabei ist der Autor des Buches „Zweitausendsiebzehn. Reformation statt Reförmchen“ spätestens seit Veröffentlichung dieser Streitschrift ein recht bekannter Mann. Er gilt nämlich als ein „beißender" Kritiker (General-Anzeiger Bonn), der Kirchenleitungen im Lande Luthers gern mal „einen Spiegel vorhält“: So hieß es 2014, kurz nach Erscheinen der 270-seitigen Suada gegen die allgegenwärtigen Reformprozesse im deutschen Protestantismus, bei Harald Schroeter-Wittke in dessen Rezension des Werks in der Zeitschrift “Tà katoptrizòmena, Magazin für Kunst | Kultur | Theologie | Ästhetik“.

Siegfried Eckert bei einer seiner erklärten Lieblingsbeschäftigungen: der Aktenvernichtung.


Was den praktischen Theologen Eckert mit seiner – sachlich bis ätzend (und dabei oft humorvoll) vorgetragenen – Kritik am sogenannten EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ (2006) und manchen anderen Initiativen umtreibt, das ist vor allem eines: das von ihm wahrgenommene „Diktat der Ökonomie“, dem sich Kirchenleitungen in ihrem Denken, Beschließen und Handeln mehr und mehr unterwerfen, sagt er. Auf der Landessynode sitzt Siegfried Eckert 2015 zum ersten Mal im Finanzausschuss, „um das Phänomen besser zu verstehen“, erklärt er mir. Ein Phänomen, von dem er fürchtet, dass es seine Kolleginnen und Kollegen im Pfarramt am Ende noch in den kollektiven Burnout treiben wird. Und ihr Kerngeschäft aus den Augen verlieren lassen könnte: die Verkündigung und Seelsorge für die Menschen „im Dorf“. Bildung und Diakonie auch. Und solide Theologie, die das alles gut reflektiert. Trotz anhaltenden Gemeindegliederschwundes und der durch diesen begründeten finanziellen Engpässe, die Eckert weder leugnen kann noch will, ist er der Ansicht, dass „weniger Zentralismus“ und „mehr Gemeinde“ den Umschwung bringen könnten - trotz aller düsteren Demographie. Nicht zuletzt, weil es durch diesen Strategiewechsel gelingen könnte, meint Siegfried Eckert, die Ortskirche als geistliche, auch kulturelle und soziale Heimat für diejenigen zu stärken, die ihre Gemeinde als solche immer seltener erlebten.

"Ein ganz anderer 'Spirit', kein stures Verwaltungshandeln, sondern synodale Beteiligung"
An der „Maria-Hilf-Brücke“ am Kurpark frage ich meinen Gesprächspartner, wie er denn die jetzt in Bad Neuenahr von der Synode beschlossenen Einsparungen einerseits und die Zielsetzungen für die Haushaltskonsolidierung andererseits beurteilt: Geht es zwischen Emmerich und Saarbrücken nun vielleicht (doch) in die richtige Richtung? Oder werden auch hier (noch einmal) die falschen Prioritäten gesetzt? „Tatsächlich hat meine Kirchenleitung in dem ganzen Beratungsprozess in bester Weise Verantwortung übernommen“, startet Eckert – für manche, die ihn kennen, vielleicht unerwartet – mit einem dicken Lob. „Als Synodaler sage ich: da wurde eine kommunikative und organisatorische Meisterleistung vollbracht, insbesondere von einer Juristin im Landeskirchenamt: Kristin Steppan" - von der Landessynode dafür denn auch mit großem Applaus bedacht. Eckert weiter: "Vor allem auch Präses Manfred Rekowski hat einen entscheidenden Beitrag für das Gelingen des Verfahrens geleistet, indem er dieses persönlich zur Chefsache erklärte: Da herrschte ein ganz anderer ‚Spirit‘ als man den aus früheren Zeiten kannte: kein stures ‚Verwaltungshandeln‘, sondern synodale Beteiligung, wie man sie selten erlebt hat – schnell, professionell, unter Einsatz moderner Technik. Das war tatsächlich ‚Kirchenleitung im Gespräch‘!“ freut sich Eckert und blickt entspannt der Entenschar hinterher, die sich gerade zum Flug über den Fluss erhebt.

Im Hintergrund der Maria Hilf-Brücke ist das Tagungshotel der Landessynode zu sehen.


"Frönen wir nicht doch dem Aberglauben an eine starke Organisation?" - eine von drei Grundfragen
Dann aber beschleunigt der Landessynodale Siegfried Eckert mit einem Mal seinen Schritt und setzt sich (und mich) schwungvoll in Marsch: „Fast wäre ich daher geneigt gewesen, den auf diesem guten Weg erarbeiteten Beschlussvorschlägen in der Synode zuzustimmen. Doch eben nur 'fast', denn meine Grundfragen sind mir geblieben:

1.) Waren die zuletzt dem Beschluss zugrunde gelegten Zahlen wirklich belastbar? Eigentlich sind wir doch immer noch mitten in der Einführung und Umsetzung des Neuen Kirchlichen Finanzwesens, das für sich genommen ein ungeheurer Kraftakt ist ...

2.) Welches Bild von Kirche bilden die Zahlen und Beschlüsse denn ab? Welche Prioritäten werden gesetzt: die einer ‚Institution Kirche‘ und ‚Bewegung Kirche‘ – oder die einer ‚Organisation Kirche‘? Ich hätte mir eine deutlichere Stärkung der beiden ersten Akzente gewünscht. Und damit auch eine Stärkung der Arbeitsbereiche Jugend, Bildung und Ausbildung des theologischen Nachwuchses.

3.) Zusammengefasst stelle ich diese Frage: Frönen wir mit der jetzt erfolgten Prioritätensetzung nicht doch dem ‚Aberglauben‘ an eine starke Organisation, zu Lasten schwacher Gemeinden, auf die es am Ende hinauslaufen könnte?"

"Der Klimawandel ist spürbar, und es bleibt Raum für kluge Einzellösungen und Lernkurven"
Vielleicht ist es ja die wärmende Wintersonne, die Eckert dann doch wieder milde und hoffnungsfroh stimmt: „Die Kritik der Basis wurde bei allem gehört und aufgenommen: Da hat es hat noch einige wesentliche Veränderungen am ursprünglichen Beschlussvorschlag gegeben, zum Guten. Und das weitere Verfahren lässt jetzt auch noch Spielraum für kluge Einzellösungen und weitere Lernkurven. Vor allem das ist wichtig: Der Klimawandel ist spürbar.“ Nun aber wird es Zeit für die nächste Debattenrunde, und wir kehren allmählich zurück in den Plenarsaal, wo sich der 'launige' Synodale – freilich nur für ein Foto und unter dem Schmunzeln der Umstehenden – einer seiner Lieblingsbeschäftigungen widmet: der Aktenvernichtung…

Wer Siegfried Eckert demnächst einmal „live“ erleben will – und von jemandem, der in popkulturellen Events seiner Kirche kein Teufelswerk sieht, darf gewiss Ernstes und Unterhaltendes erwartet werden –, der sollte am 26. März um 19 Uhr in die Kölner Melanchthon-Akademie kommen: „Wie geht Reform – und was für eine Reformation braucht unsere Kirche?“ Diese Frage wird in einem Streitgespräch (ja, in was denn sonst!) Siegfried Eckert zusammen mit Manfred Kock, Altpräses der rheinischen Kirche und ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, verhandeln, so dass vermutlich auch ein paar Lachtränen fließen werden.

Siegfried Eckert: „2017. Zweitausendsiebzehn. Reformation statt Reförmchen“, Gütersloher Verlagshaus 2014, gebunden, 272 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-579-08515-9.



Text: Günter A. Menne
Foto(s): Günter A. Menne