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Projektberichte

22.01.2017
„Meine Kirche in 50 Jahren“
Ein Beitrag des Dellinger Pfarrers Ralph Knapp

Weiter geht es mit dem dritten Beitrag der Reihe „Meine Kirche in 50 Jahren“. In loser Folge finden Sie auf dieser Seite übers Jahr verteilt Beiträge von Menschen, die anlässlich des Jubiläums „500 Jahre Reformation“ darüber nachdenken, philosophieren, fabulieren und spekulieren, wie die Evangelische Kirche in 50 Jahren aussehen könnte. Dieses Mal „befindet“ sich der Dellinger Pfarrer Ralph Knapp bereits im Jahr 2067 und wirft (s)einen Blick zurück.

Pfarrer Ralph Knapp aus Delling

Man feiert 550 Jahre Reformation. Die Kirche hat sich verändert in den vergangenen 50 Jahren. Sie ist kleiner geworden, aber vitaler. Die Institutionskritik, die vor 50 Jahren viele Menschen dazu trieb, eine Kirche, die sie nur noch als äußerliche Einrichtung, ohne spirituellen Wert und vor allem ohne Einfluss auf ihr persönliches Leben wahrnahmen, durch Austritt zu verlassen, brachte die Wende.

Dass das Scheitern der Institution nicht notwendig das Scheitern des Evangeliums bedeutete, war durchaus nicht allen bewusst. Man hielt lange an Dingen fest, die nicht zu halten waren und so gestaltete sich der kirchliche Wandel zu einem schmerzlichen 30 Jahre dauernden Prozess.

Kirche der Tradition
Unfähig, nach neuen Formen zu suchen, versuchten viele Gemeinden an althergebrachten Modellen so lange wie möglich festzuhalten, um den Preis, die eigenen Zukunfts- und Handlungsfähigkeit zu verlieren. Man beklagte den „Sittenverfall“ und versuchte auf Gedeih und - leider allzu oft Verderb - an Besitzständen festzuhalten. Aus der Kirche der Reformation war eine Kirche der Tradition geworden, ohne Kraft zum Evangelium.

Neue Aufbruchsbewegungen
Zugleich entwickelten sich neben den althergebrachten Strukturen neue Aufbruchsbewegungen. Den Menschen da zu begegnen, wo sie leben, arbeiten, wo sich ihre Fragen an das Leben entwickeln, das erschien als guter neuer Weg. Zugleich entstanden neue Sprachformen des Evangeliums, die auf Verständlichkeit angelegt waren. Gegenüber einem erstarkenden Neuheidentum kam es zu einer Neuauflage der apologetischen Theologie, die deutlich machte, was Glauben, Vertrauen und Hoffnung entscheidendes für ein wirklich von Zwängen freies Leben bedeuten.

Keine Kirchensteuer, keine Vielzahl an Immobilien
Die Theologie selbst wurde institutionskritisch und erkannte, dass vieles, was Kirche über Jahrhunderte hinweg getragen hatte, nun zu einem Ballast geworden war, den es abzuwerfen galt. Entsprechend gibt es 2067 keine Kirchensteuer, keine Vielzahl an Immobilien, ja auch kaum noch große kirchliche Strukturen mehr.

Lebensfreude, Engagement und Hoffnung
Es gibt aber ein lebendiges evangelisches Leben, voller Lebensfreude, Engagement und Hoffnung. Die Alltagsrelevanz der Verkündigung war wichtig geworden, nicht ein Zirkel von Erlösten, die sich gegenüber der Restgesellschaft sektiererisch abgrenzten, sondern Menschen, die inmitten des alltäglichen Lebens Formen von selbstverständlicher Frömmigkeit suchen, bestimmen das Bild der Evangelischen Kirche.

Offenheit, die sich nicht hinter Mauern verbirgt
Hier gibt es keine zwanghafte Abgrenzung, sondern ein Hineingehen der Verkündigung in die Alltäglichkeit. Dazu braucht man keine Kirchtürme, keine Orgeln, keine Gemeindehäuser, dafür braucht man Offenheit, die sich nicht hinter Mauern verbirgt. Aber auch einzelne Kirchen überleben, Orte des Rückzuges und der Zurüstung, Orte, die Kraft spenden für das Leben, die Transzendenz erleben lassen, sie aber nicht gegen den Alltag ausspielen.

Denn das wurde erkannt: Das Wort Gottes braucht - wie die Menschen - besondere Orte ebenso wie die Alltäglichkeit.



Text: Ralph Knapp
Foto(s): Privat