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Projektberichte

16.03.2017
„Meine Kirche in 50 Jahren“
Sie wird eine christuszentrierte Kirche sein, charismatischer und ökumenischer, meint Achim Dehmel

Meine Kirche in 50 Jahren: Die Entwicklung in einer solchen Zeitspanne ist nicht absehbar, aber wir können träumen, hoffen, dass wir auf den Heiligen Geist hören, und beten, dass eine Erneuerung des Glaubens Gottes Wille ist.

Pfarrer Achim Dehmel

Um eine solche Fragestellung zu bedenken, kann man nur die Verheißungen der Bibel und die Kraftwege der bestehenden Kirche beobachten und fiktiv in die Zukunft projizieren. Was trägt und was ist unwesentlich? Ein „weiter so“ wie bisher wird zu einem Verschwinden der Evangelischen Kirche in Europa führen, denn unsere Kirche erlebt eine Verringerung ihrer Mitglieder. Ich beobachte, dass ein Engagement der Kirche auf vielen Gebieten zu einem Verlust an Kraft und Konzentration führt.

Kirche als Institution
Ich erlebe, dass die Kirche als Institution einen Teil ihrer Identität verliert, wenn sie im Rahmen gesellschaftlicher Bedingungen sozialdiakonische Arbeit tut. In diesen Bereichen hört sie auf zu beten. Ihre Treffen haben keinen spirituellen Kern mehr. Diese Arbeit wird zu einem großen Teil von Menschen gemacht, die ihre Identität mehr in Christus haben.

Kirche nur ein „Durchlauferhitzer“
Ich musste lernen, dass eine Kirche nur ein „Durchlauferhitzer“ ist, wenn sie den Besuchern nicht hilft, eine persönliche Identität in Jesus Christus zu finden. Möchte Kirche eine Institution sein, die von Menschen als Servicekirche benutzt wird, oder möchte Kirche eine Gemeinschaft von Menschen sein, die in Gottes Gnade leben und eine neue Identität in Jesus gefunden haben bzw. erbittet? Nach dem, was ich beobachte, wird nur eine gelebte Identität in Christus ihr Weg sein können.

Christuszentriert
Meine Kirche wird ein klares christuszentriertes Bekenntnis haben, das Relevanz für das Selbstverständnis der Glaubenden und ihren Alltag hat. Die Kirche wird Menschen mit ihrem fokussierten Profil gewinnen, die Kraft Gottes herausstellen und sich nicht mehr in sozialen Aufgaben verzetteln. Die Christen werden sehr viel mehr als heute wissen, warum sie Teil der Kirche sind. Sie werden das „Sozialprogramm“ der Kirche sein und das umsetzen, was sie sich in Gottesdiensten und Glaubensgruppen zu Eigen machen.

Charismatisch
Meine Kirche wird in 50 Jahren eine Erneuerung durch das Wirken des Heiligen Geistes erlebt haben und von deren Früchten leben. Sie wird charismatischer und ökumenischer sein. Sie wird neugierig sein auf die geistlichen Erkenntnisse anderer Konfessionen und wird längst in einen Weg gegenseitigen Lernens mit ihnen gefunden haben. Sie wird in der Abfassung der eigenen Beschlüssen ständig mit den ökumenischen Partnern im Gespräch sein und mit ihnen zu gemeinsamen Programmen und Wegen finden. Die konfessionellen Grenzen werden unkenntlicher werden und verwischen.

Gabenorientierte Kirche
Die Kirche wird eine Gemeinschaft von Christen sein, in der sich die Glaubenden gegenseitig stärken, ihre Gaben zu entdecken und im Dienste Jesu zu nutzen. Gemeindeleitung und Pfarrerschaft wird es eine Freude sein, Christen in ihren Gaben wachsen zu sehen und die Verantwortung mit ihnen zu teilen. Die Kirche wird von der Teilhabe vieler leben. Die historisch-kritische Exegese wird sich der Subjektivität ihre Festlegungen bewusst werden und sehr viel vorsichtiger mit ihren Aussagen sein. Sie wird die Verkündiger wieder darauf vorbereiten, das Evangelium zum Strahlen zu bringen. Die Grundlagen für den Pfarrberuf werden neu gelegt sein und zu einer soliden Gruppe berufener Pfarrerinnen und Pfarrer führen.

Schlank und smart
Meine Kirche wird sich nicht mehr mit sich selbst beschäftigen, sondern schlank und smart und lebensnah sein. Die Verwaltung wird stark zurückgebaut sein, die Ressourcen werden wieder den Kirchen vor Ort zur Verfügung stehen. Finanzen und Entscheidungen werden digital und smart geregelt. Zeit und Energie werden nicht in der Gremienarbeit verpulvert. Die Kirche wird sich nicht mehr von Wirtschaftsberatern beraten und von Philosophien und Theorien leiten lassen, sondern sich klug und umfassend, erfahrungsorientiert und geistlich entscheiden und leiten.

Wachsende Kirche
Nach einer Phase des Rückzugs und des Abbaus wird die Kirche an Kraft und Zahl wachsen. Sie wird in den Städten und auf dem Land wieder neue vitale Orte des Glaubens aufbauen. Sie hat neue Formate des Gottesdienstes, der Seelsorge und des Glaubensgesprächs gefunden, die aktuell sind und das Evangelium angemessen zur Wirkung kommen lassen. Es wird eine junge Kirche sein, die das Evangelium unmittelbar in den Alltag einbezieht.

Weltweite Kirche
Meine Kirche wird in 50 Jahren in einem intensiven Dialog mit der weltweiten Kirche stehen. Sie wird von der Kraft der asiatischen, afrikanischen und amerikanischen Kirche lernen. Und sie wird ihre eigene spirituelle Erneuerung mit ihnen teilen können.

Verdrängte Kirche
Die Kirche in 50 Jahren wird leider auch eine blutende Kirche sein, in der im gesamten arabischen und nordafrikanischen Raum keine öffentliche christliche Gemeinschaft mehr bestehen wird. Sie vollzieht damit den Exodus nach, den das jüdische Volk im 19. und 20. Jahrhundert in diesem Raum erlitten hat.

Schützende Kirche
Und schließlich wird meine Kirche in 50 Jahren eine schützende Kirche sein in einer Zeit neuer Armut, ausgelöst durch weltweite Ressourcenknappheit und Roboterarbeit. Es wird eine gemeinschaftliche Kirche sein, in der neue Lebensgemeinschaften entstehen, die neu um die Würde des Menschen kämpfen und das jüdisch-christliche Menschenbild nahe bringen. Damit wird meine Kirche aber nicht am Rand der Gesellschaft stehen, sondern ihre Kraft in deren Mitte entfalten.

Hoffnung
Als Jesus von Petrus als Sohn des lebendigen Gottes bekannt wird, antwortet Jesus: Matthäus 16:18-19 (GNB) „Du bist Petrus; und auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen! Nicht einmal die Macht des Todes wird sie vernichten können.“ Eine Kirche, die Jesus Christus bekennt, kann nicht untergehen.
Und eine Kirche, die den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus bekennt und verkündet, wird in alle Welt gehen, wird zu den Menschen gehen, und wird Menschen zu Jüngerinnen und Jüngern machen. Dafür lebt die Kirche.

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Dies ist der sechste Beitrag der Reihe „Meine Kirche in 50 Jahren“. Hier ein paar Infos zu unserem Autor:
Achim Dehmel wurde 1956 in Köln geboren und lebt seit 26 Jahren in Bergisch Gladbach. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er hat in Göttingen, Bern und Bonn studiert und lässt sich von Zillow Creek und der geistlichen Gemeindeerneuerung inspirieren. Seine Schwerpunkte liegen in traditionellen und modernen Formaten des Gottesdienstes, im Aufbau einer Mitmachkirche und in der Förderung von Hauskreisen. Er nimmt bewusst katholische und freikirchliche Impulse auf.



Text: Achim Dehmel
Foto(s): Privat