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Projektberichte

10.06.2017
Die Seelsorge ist die "Muttersprache der Kirche"
Hintergrundgespräch zum Thema "Seelsorge" mit Journalisten

Die Seelsorge, die "Muttersprache der Kirche", war das große Thema beim Frühjahrsgespräch des Stadtsuperintendenten im Haus der Evangelischen Kirche. Zahlreiche Journalisten und Journalistinnen waren der Einladung von Rolf Domning ins Refektorium gefolgt. In dem ehemaligen Speisesaal der Kartäusermönche erinnerte der Stadtsuperintendent daran, dass auch für Martin Luther die "Sorge um die Seele" ein wichtiges Anliegen war. Nach der Frage "Wie bekomme ich einen gerechten Gott?" habe der Reformator erkannt, "dass wir ohne Verdienste gerecht sind vor Gott. Wir müssen den ganzen Menschen in den Blick nehmen."

Dr. Dorit Felsch, Andrea Vogel, Rolf Domning, Holger Reiprich und Sebastian Baer-Henney (v. li.)


Domning hatte zur Vertiefung des Themas Gäste aus dem Evangelischen Kirchenverband Köln und Region eingeladen, die in unterschiedlichen Bereichen der Seelsorge tätig sind: Dr. Dorit Felsch, Leiterin der Evangelischen Telefonseelsorge, Pfarrer Holger Reiprich, Feuerwehr- und Notfallseelsorger, und Pfarrer Sebastian Baer-Henney, Pfarrer und Seelsorger im Projekt "beymeister" der Evangelischen Kirchengemeinde Mülheim am Rhein. Pfarrerin Andrea Vogel, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch, ist in der Runde der Kölner Superintendenten zuständig für das Thema Seelsorge. "Die Seelsorge wird in Zeiten, in denen die Ängste der Menschen zunehmen, immer wichtiger. Sie wird auch trotz aller Kritik an der Kirche sehr geschätzt. Seelsorge erwartet man von uns", erklärte die Superintendentin und nannte beispielhaft zwei Teilbereiche: "Mit zwölf Pfarrstellen in der Krankenhausseelsorge sind wir sehr gut aufgestellt. In der Gehörlosenseelsorge leisten Dagmar und Dieter Schwirschke exzellente Arbeit."

In der Seelsorge sollen in Zukunft neben den Pfarrerinnen und Pfarrern auch Laien tätig sein. "Wir haben in der Evangelischen Kirche im Rheinland eine lange Tradition mit Laien in Führungspositionen", sagte Vogel weiter. "Bis 2030 wird im Bereich unserer Landeskirche die Zahl der Pfarrstellen halbiert", ergänzte Domning: "Wir brauchen die Ehrenamtlichen." Eine Arbeitsgruppe im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region befasst sich seit einem Jahr mit einem Schulungsprojekt für Ehrenamtliche. In einem ersten Bildungsmodul mit einem Umfang von 50 Stunden wird Grundsätzliches erörtert, wie zum Beispiel kommunikative Kompetenz im Umgang mit Hilfe suchenden Menschen.

Vertieft wird das Gelernte in einem zweiten Bildungsmodul mit 100 Stunden. Die Teilnehmenden erwerben dort die sogenannte "Feldkompentenz". Dort konzentrieren sie sich auf Bereiche wie etwa Notfallseelsorge und werden auch mit der Praxis konfrontiert, um zu sehen, ob dieser Bereich für sie passt. Notfallseelsorger Reiprich nannte ein praktisches Beispiel aus seinem Arbeitsbereich: "Ist man bereit für eine Aussegnung in einem Haus, in dem gerade jemand gestorben ist?" Die Vorbereitungen für einen Kurs im ersten Bildungsmodul sind in vollem Gange. Alle Gemeinden wurden nach ihrer Meinung und ihrem Interesse gefragt. Der Rücklauf war fast ausschließlich positiv. Reiprich ist Mitglied der entsprechenden Arbeitsgruppe. Ihm ist eines wichtig: "Es wird keine Seelsorge erster und zweiter Klasse geben." Stadtsuperintendent Domning betonte hierzu: "Wir wollen den Ehrenamtlichen mit dieser Fortbildung Sicherheit geben. Viele Ehrenamtliche wünschen sich diese Form der Qualifizierung."

In der Telefonseelsorge und in der Notfallseelsorge kennt man sich aus mit der Ausbildung von Ehrenamtlichen. Dort gibt es sie schon lange. "Wir praktizieren die Seelsorge im Verborgenen. Wir sind sozusagen das Nachtgesicht der Kirche", sagte Dr. Dorit Felsch über die Telefonseelsorge. Die Ausbildung der Ehrenamtlichen dauert in diesem Bereich insgesamt ein Jahr. Supervisionen und Fortbildungen werden in der Telefonseelsorge laufend angeboten. "Bei uns gehen pro Jahr 20.000 Anrufe ein. Wir sind an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden am Tag erreichbar. Bei uns arbeiten 70 Ehrenamtliche", erklärte die neue Leiterin der Evangelischen Telefonseelsorge weiter. Die Tätigkeit erfordere die Bereitschaft, Zeit aufzuwenden. Und die Fähigkeit, auszuhalten, dass man nicht aktiv eingreifen könne: "Niemand weiß, wie es nach dem Telefonat bei dem Anrufenden weiter gegangen ist." Bei den Themen der Gespräche gebe es keine Tabus. Es gelte das Motto "Aus Worten können Wege werden". Die Telefonseelsorge bietet im Herbst wieder einen neuen Ausbildungskurs für ehrenamtliche Mitarbeiter an. Der Infotag zu diesem Kurs findet am 21. August. 2017 in Köln statt. Interessierte können sich unter Tel. 0221-317159 oder per Mail unter telefonseelsorge@kirche-koeln.de melden.

Neben der Telefonseelsorge ist die Notfallseelsorge einer der Bereiche, in dem schon länger auch ehrenamtliche Mitarbeitende eingesetzt werden. Pfarrer Holger Reiprich erklärte, dass dieses Aufgabenfeld im Bereich des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region in die Gebiete Stadt Köln, Rhein-Erft-Kreis und Rheinisch-Bergischer Kreis unterteilt ist. Dort tun jeweils 20 Personen ihren Dienst. "Zwei Drittel Hauptamtliche, ein Drittel Ehrenamtliche", sagte Reiprich, der die Bereitschaftsdienste koordiniert und auch selbst regelmäßig übernimmt. "Notfallseelsorge ist die seelsorgerische Begleitung von Notfallopfern, Angehörigen und Hinterbliebenen bei Feuerwehr-, Rettungsdienst-, Polizei- und Katastrophenschutzeinsätzen", fasst Reiprich zusammen. "Wir sind da und halten das Unfassbare mit aus. Wir helfen aber auch bei der Suche nach Antworten auf religiöse Fragen, etwa nach dem Sinn des Geschehenen." Der Notfallseelsorger ist außerdem in der Feuerwehrseelsorge tätig. Er begleitet die Einsatzkräfte der Feuerwehren und des DLRG in Köln, im Rhein-Erft-Kreis und im Rheinisch-Bergischen Kreis. Reiprich nannte als Beispiel die Eisrettung eines kleinen Kindes in Hürth. Das sei völlig unbeschadet geborgen worden. Aber während des Einsatzes sei das den Feuerwehrleuten nicht bewusst gewesen. "Einen solchen Einsatz bereiten wir intensiv nach." Reiprich ist in den Wehren mittlerweile so gut verankert, dass er regelmäßig gebeten wird, Feuerwehrleute zu trauen und deren Kinder zu taufen.

Eine völlig andere Art der Seelsorge betreibt Pfarrer Sebastian Baer-Henney. Zusammen mit der Gemeindepädagogin Miriam Hoffmann hat er 2015 in Mülheim das "beymeister"-Projekt ins Leben gerufen. Beymeister waren im Mittelalter die Meister der Handwerker-Gilden, die sich gegenseitig halfen und dabei völlig gleichberechtigt handelten. In Mülheim erfahren die Menschen in diesem Projekt eine ganz neue Art der seelsorgerlichen Zuwendung. "Wir haben ein rotes Sofa gekauft und uns dahin gesetzt, wo die Leute sind: an den Rhein", berichtete Baer-Henney. "Es ist erstaunlich, wie schnell die Leute aus ihrem Leben erzählen, wenn klar ist, dass ich Pfarrer bin." Mittlerweile haben die Beymeister ein Ladenlokal an der Wallstraße gemietet. Dort kann man Kaffee oder ein Feierabendbier trinken. "Wir wollen niemanden bekehren. Wir ermöglichen den Menschen, Gemeinschaft vor Ort zu erfahren." Zur "aufsuchenden" Seelsorge gehört in Mülheim aber auch mal ein Abendgebet in einer Kneipe. Über allem steht das Bemühen, so Baer-Henney, "Kirche für die Leute relevant werden zu lassen".



Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann