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Projektberichte

31.10.2017
Das Heu nicht auf derselben Bühne haben
Reformationsfeier in der Trinitatiskirche am #Reformationstag 2017

Die erste Bürgerin der Stadt brachte es auf den Punkt: "Vielen Dank für diesen wunderbaren Gottesdienst", sagte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker in ihrem Grußwort zum Abschluss der Reformationsfeier des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region in der vollbesetzten Trinitatiskirche. Die Feier stand unter dem Motte "Wohin geht der Weg der Erneuerung? 500 Jahre Reformation". Zu Beginn begrüßte Stadtsuperintendent Rolf Domning die Gäste und erinnerte an das Motto der rheinischen Landeskirche zum Reformationsjubiläum: "Ich bin vergnügt, erlöst, befreit." Domning nahm das Motto "ganz wörtlich" und erklärte, dass es ja auch entlastend sei, wenn sich das Jubiläumsjahr dem Ende zuneige, "frei nach dem Motto: Jetzt ist es geschafft". 500 Projekte, Veranstaltungen, Konzerte und vieles mehr wurde in dem Jubiläumsjahr in den Gemeinden in Köln und Region gezählt. Der Stadtsuperintendent freut sich über "die Vielzahl von ökumenischen Projekten, die gemeinsam geplant und durchgeführt wurden".

Münsterpredigerin Dr. Caroline Schröder Field hielt die Predigt in der Reformationsfeier in der Kölner Trinitatiskirche


Die Predigt hielt Dr. Caroline Schröder Field, Münsterpredigerin aus Basel. Sie begann mit einer wortbildlichen Anleihe aus der Landwirtschaft. In der Schweiz gebe es die Redewendung "das Heu nicht auf derselben Bühne haben", was soviel bedeutet wie "nicht die gleichen Interessen zu verfolgen". Das gelte im übertragenen Sinne auch für viele Bereiche der evangelischen Kirche wie z.B. bei Mitgliedern von Presbyterien und Synoden..

"Der Humanist Erasmus von Rotterdam hatte das "Heu nicht auf derselben Bühne" wie Martin Luther, obwohl man es doch gehofft hatte. Und Martin Luther hatte das "Heu nicht auf derselben Bühne" wie der Zürcher Reformator Ulrich Zwingli oder der Basler Reformator Johannes Ökolampad." Und das mit dem Heu und der Bühne setze sich bis heute fort. Das habe aber nicht erst mit der Reformation angefangen. Schon Apollos und Paulus hätten unterschiedliche Auffassung vertreten. Diesen Konflikt hätte Paulus sehr weise gelöst. Wer seien denn schon Apollos und Paulus? "Das Pflänzchen wachsen lässt weder Apollos noch Paulus. Das ist Gottes Wirken." Wichtig sei allein: "Beide arbeiten am gleichen Werk." Denn es ging schon damals um die Einheit der Kirche. "Und wenn wir unser Ohr zu unseren Gemeinden neigen, gerade so, als wollten wir das Gras wachsen hören, also richtig selbstvergessen und zugewandt, spüren wir dann nicht, was Männer und Frauen in unseren Kirchen ersehnen? Dass es ihnen um die Einheit der Kirche geht, nicht um den Erhalt ihrer jeweiligen Besitzstände. Hat nicht gerade Gottes Ackerfeld einen Durst danach, dass sich Gottes Mitarbeiter endlich uneingeschränkt akzeptieren, und kann auf diesem Ackerfeld je etwas wirklich wachsen und gedeihen, wenn dieser Durst nicht bald einmal gründlich und nachhaltig gestillt wird? Über den einmaligen Feiertag hinaus", hielt sie ein flammendes Plädoyer für die Einheit der Kirche. "Es gibt eine Sehnsucht nach Einheit."

Schröder Field verwies auf das Basler Münster, das als gutes Beispiel dafür herhalten könne, wie eine aus Sandstein gebaute mittelalterliche Kirche der ständigen Pflege bedürfe: "Der Bau einer Kirche hört nie auf. Und wenn er aufhört, zerfällt sie." Das Münster wurde 1019 als Marienkirche eingeweiht. Von Maria sei aber heute dort nicht mehr viel zu sehen. Die Reformation habe sie vom Sockel geholt. In der Krypta gäbe es aber Fresken, die die Kindheitsgeschichte von Maria erzählen. Diese Geschichte finden man in einem Evangelium der alten Kirche, das es nicht in den biblischen Kanon "geschafft" habe: "Eine verborgene Geschichte, verborgen in der Krypta des reformierten Münsters und - man höre und staune - auch im Koran!"

Am Hauptportal des Münsters gibt es ein bemerkenswerte Leerstelle: Dort habe auf einem Podest eine Marienfigur gestanden. "Was ich sagen will: am Basler Münster kann man nicht Pfarrerin sein, ohne ständige Tuchfühlung mit dem zu habe, wovon sich die Reformation getrennt hat. Am Basler Münster kann man nicht predigen, ohne immer wieder auf Geschichten zu stoßen, die nicht in der Bibel stehen und welche die Frömmigkeit der Menschen durch die Jahrhunderte hindurch trotzdem geprägt haben." Immer an Silvester läutet im Baseler Münster ganz allein die Papstglocke. "Könnten wir bei ihrem Klang die Worte mithören, die auf ihr geschrieben stehen, würde sie uns an der Schwelle zu jedem neuen Jahr gemahnen: „Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Christus!" Ausgerechnet eine Papstglocke erinnert mich an einen Kernsatz der Reformation!", sagte die Predigerin und fuhr fort, dass das Bekenntnis zu Christus als Fundament zur Floskel verblassen könnte:

"Dass der Mensch aus Glauben lebt und nicht aus seinen Werken, wird in unseren Leistungs- und Freizeitgesellschaften täglich Lügen gestraft. Und zur Freiheit des Gewissens, auf die wir so stolz sind: sie hat sich verwandelt in das Dogma, Glaube sei Privatsache." Die Gewissensfreiheit brauche eine Gemeinschaft, in der sie sich bilden könne. Und zum Schluss der Predigt: "Ja. Das Erbe der Reformation ist wertvoll. Doch vieles davon ist den Menschen nicht mehr verfügbar. Es ist wie mit dem Basler Münsterportal: wo einst eine Marienfigur stand, steht nur noch ein leeres Podest. Wir tun gut daran, gemeinsam nach den Leerstellen zu fragen, die uns umgeben. Vielleicht ist dies unser gemeinsames Werk, zu dem wir berufen sind, wie einst Paulus und Apollos in Korinth. In Tuchfühlung mit dem, wovon wir uns getrennt haben, bauen wir Kirche und werden zur Kirche erbaut."

"Wir haben ja denselben Grund dazu. Einen anderen kann keiner legen." In ihrem Grußwort erinnerte Oberbürgermeisterin Henriette Reker daran, dass man vor 500 Jahren in Köln von der Reformation nichts habe wissen wollen. Trotzdem hätten sich etliche Gläubige im Schatten des Doms der neuen Konfession zugewandt. "Die Kölschen waren damals schon von der Obrigkeit schwer zu steuern", sagte die Oberbürgermeisterin weiter. Erst die Franzosen hätten zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Gleichberechtigung aller Konfessionen in Köln durchgesetzt. "Bis dahin war das Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten geprägt von Abwehr, Scheitern, Untergrundarbeit, aber auch von praktischer Toleranz." Die Geschichte könne zur Lösung aktueller Probleme beitragen. Heute würde der Islam von manchen kritisch gesehen. Dem müsse man den Schlüsselbegriff der Reformation gegenüber stellen: Gemeinsam. "Wir müssen uns auf das Gemeinsame besinnen, nicht auf das Trennende."

Gemeinsam war den rund 500 Gästen der Reformationsfeier auch die Freude an der Musik des „reger chors“ Köln und dessen Instrumental-Ensembles unter der Leitung von Wolf-Rüdiger Spieler abzuspüren. Diese führten die Bach-Kantate "Es ist das Heil uns kommen her" auf. Die Orgelbegleitung des Gottesdienstes hat Thomas Pehlken, Kreiskantor des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord übernommen. Die liturgische Leitung oblag Pfarrerin Andrea Vogel, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch, und Pfarrer Dr. Bernhard Seiger, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd und Reformationsbeauftragter des Evangelischen Kirchenkreises Köln und Region. So erlebten die Besucher dieser Reformationsfeier einen kanpp zweistündigen, bewegenden und inspirierenden Gottesdienst, dessen Botschaft noch nachhaltig weit über das 500 jährige Jubiläum hinaus nachklingen wird.

Hier finden Sie die Predigt von Dr. Caroline Schröder Field in vollständiger Länge.

Hier der gesamte Gottesdienst im Videomitschnitt:



Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann