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Projektberichte

14.10.2017
Wortgewaltiges Finale des Peotry-Slams in der Trinitatiskirche
Die Siegerin heißt Liliane Köppel und sagt: „Teilen kann heilen“ – Grundrechnen für Vielfalt

„Wir teilen die Welt, um Grenzen zu ziehen, damit keiner die Möglichkeit hat, in unser Land zu ziehen“: Mit einem grandiosen Mathematik-Slam erklärt Liliane Köppel, warum Menschen die Welt teilen und in Grenzen zerlegen – und wurde damit zur Siegerin des Poetry-Slam-Wettbewerbes „Wortanschlag – Deine These“. Den hatte die Evangelische Jugend im Rheinland (EJiR) anlässlich des Reformationsjubiläums ausgerufen.

Viel Lob und Zustimmung gab es für Liliane Köppel (3.v.li.) führ ihre Vision von Gesellschaft und Zusammenleben, die sie über die Grundrechenarten eindrucksvoll erklärte

Rund 300 Gäste waren in die Kölner Trinitatiskirche gekommen, um den Finalisten aus acht Kirchenkreisen zu lauschen und jede Menge Beifall zu spenden. Unterstützt wurden sie von Mitgliedern des Vorstands der EJiR, darunter Landesjugendpfarrerin Simone Enthöfer, sowie von der Vorsitzenden Miriam Lohrengel und ihrer Vertreterin Fiona Paulus. Von der rheinischen Kirche waren Barbara Schwahn als Vertreterin der Kirchenleitung und Kirchenrat Dr. Stefan Drubel als zuständiger Kirchenrat vor Ort.

„Respect the poets“
Die Texte müssen selbst verfasst und dürfen nicht länger als fünf Minuten sein, Kostüme oder Requisiten waren nicht erlaubt. „Respect the poets“, Respekt für die jungen Poeten und Poetinnen, forderte Jugendreferent Nils Kruse, bevor es richtig losging.

Probe mit „Opferlamm“
Anke Fuchs, selbst Slammerin, führte launig und mit viel Charme und Witz durch den Abend. Sie erklärt das Procedere: In zwei Vorrunden mit jeweils vier Teilnehmenden werden zwei Finalisten ausgewählt, die anschließend mit einem zweiten Text gegeneinander antreten. Für das Vorrunden-Voting wählte sie spontan zehn interessierte Gäste aus, die auf Tafeln ihre Bewertungen abgeben konnten. Für einen ersten Probedurchlauf stellte sie sich als selbst ernanntes „Opferlamm“ zur Verfügung und berichtete aus ihrem Leben als Pfarrerstochter.

Seismograf der Lebensentwürfe
Projektleiter Nils Kruse, Referent im Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche im Rheinland, hatte den Abend gemeinsam mit einem technischen Team und Ehrenamtlichen aus dem Evangelischen Jugendpfarramt in Köln organisiert. Vor dem Altar in der altehrwürdigen Trinitatiskirche standen gemütliche Sofas für die Finalisten, auf die Wand dahinter wurden Direkt-Videos vom Geschehen projiziert. Auf dem Boden sorgten Scheinwerfer für farbige Effekte. „Das Slammen vor Publikum ist ein wunderbares Setting, um individuelle Texte mit gegenseitigem Respekt und Wertschätzung in die Wohnzimmer-Öffentlichkeit zu tragen. Ein Poetry-Slam ist gleichsam Seismograf der Lebensentwürfe, Wünsche und Forderungen junger Menschen“, so Kruse.

Das Finale
Die Finalisten des Abends, sechs junge Frauen und zwei junge Männer, hatten sich bereits in ihren Heimat-Kirchenkreisen Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Krefeld, Lennep, Niederberg und Trier an die Spitze geslammt. Nun bildeten Linda Kuchtha aus Krefeld, Lisa Kluge aus Düsseldorf, Anne Faßbender aus Lennep und Lukas Kauls aus Niederberg das erste Team, zusammengesetzt mittels eines Losverfahrens.

Knappes Ergebnis
Linda bezieht sich in ihrem Text auf Luthers Satz „Hier stehe ich – ich kann nicht anders“ und fragt zurück: „Wer kann das schon?“ Lisa studiert Theologie und setzt sich intensiv mit Texten der Dichterin und Theologin Dorothee Sölle auseinander: „Jeder von uns wurde von Gott schön geträumt, Samira aus Afghanistan ebenso wie Linda, die Atheistin“. Theologiestudentin Anne philosophiert über den Begriff „Wortanschlag“: „Worte schaffen keine Strukturen.“ Lukas wünscht sich, dass es öfter mal klick macht, aber nicht im Handy. Die Texte kamen alle gut an, sehr knapp setzte sich Lisa Kluge als erste Finalistin durch.

Brief an einen Gutmenschen
In der zweiten Gruppe treten Tim Germund aus Köln, Charlotte Fischer aus Bonn, Liliane Köppel aus Aachen und Teresa Hanck aus Trier gegeneinander an. Tim philosophiert über ein Improvisations-Beziehungstheater zwischen dem Jetzt und der Zukunft. Charlotte formuliert einen Brief an einen Gutmenschen, Liliane nutzt den Eisbären als Symbol für den Kampf zwischen Umwelt und Ökonomie und Teresa macht sich Gedanken über die Folgen der Digitalisierung, über „Big data“. Siegerin dieser Gruppe war Liliane Köppel.

Gewinnerin kommt aus Aachen
Kurz nach 21 Uhr entschied das Publikum mittels Lautstärke: Nach einem tosendem Applaus von 300 begeisterten Zuschauerinnen und Zuschauern in der evangelischen Trinitatiskirche gewinnt Liliane Köppel aus Aachen das Finale des Wettbewerbs „Wortanschlag – Deine These“ der Evangelischen Jugend im Rheinland. In ihrem Finaltext leitete sie eindrucksvoll über die Grundrechenarten über zu ihrer Vision von Gesellschaft und Zusammenleben. Ihre These: „Teilen kann heilen“.

Kostprobe gefällig?
„Die Multiplikation gibt uns die Möglichkeit, kluge Gedanken zu vermehren und der Engstirnigkeit den Rücken zuzukehren. Lasst uns Vielfalt addieren und davon profitieren. Wir treffen uns beim gemeinsamen Nenner und ergänzen uns dort zu Eins.“

Satz der Mathelehrerin
So ganz konnte die strahlende Siegerin das alles jedoch nicht fassen. Nach der ersten Runde, so verriet sie, habe sie das Gefühl gehabt, mit ihren Texten zu weit vom Thema abzukommen. Darin hatte sie sich gründlich getäuscht. Hat sich doch der Satz ihrer Mathelehrerin bewahrheitet, dass sie vielleicht irgendwann einmal begreifen würde, dass Mathematik zu irgendetwas gut sei. Sie studiert Psychologie in den Niederlanden und hat dazu beigetragen, dass das Format „Poetry-Slam“ in ihrer Heimatgemeinde Walheim für den Gottesdienst umgestaltet wurde. Eine „wunderbare Möglichkeit“, zum Nachdenken über wichtige Themen anzuregen, meint sie. Aber „nicht so moralisch, sondern mehr reflektieren, was man selbst verändern kann.“ Sie findet, es ist ein cooles Format, weil man „total frei ist und alles sagen kann, was man möchte.“ Die Psychologie-Studentin will nämlich Stellung beziehen. Vielleicht ja schon bald an anderer Stelle mit einem ebenso genialen Text...

Tim Germund, Vertreter der Evangelischen Jugend Köln, beheimatet in Hürth, lag in der Gesamt-Punktewertung ganz knapp hinter der der Siegerin. Sein lebensphilosophischer Text und seine Performance begeisterten das Publikum ebenfalls.

Zufriedene Gesichter – auch im Publikum
Nicht nur die jungen Poetinnen und Poeten freuten sich über den gelungenen Abend, auch Organisator und Projektleiter Nils Kruse war erleichtert, dass alles so gut geklappt hatte und der Wettbewerb Begeisterung fand. Landesjugendpfarrerin Simone Enthöfer bedankte sich bei den jungen Leuten und überraschte sie mit einer Schneekugel mit dem Kölner Dom – zur Erinnerung an dieses Event in Köln. Dann dankte sie für das Engagement: „Wenn jemand so einen persönlichen Text von sich veröffentlicht, gibt er viel von sich preis und macht sich auch verletzbar. Insofern waren für mich diese Texte ganz besondere Geschenke, sie haben uns berührt und bewegt, uns einen Spiegel vorgehalten und uns zum Nachdenken gebracht. Sie haben uns Gänsehaut beschert und zu einem Lächeln bewegt. Das fand ich großartig.“

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Folgende Kirchenkreise nahmen am Wettbewerb mit ihren Finalisten teil:

Anne Faßbender, 20, Lennep
Charlotte Fischer, 20, Bonn
Tim Germund, 17, Köln
Teresa Hanck,21, Trier
Lukas Kauls, 17, Niederberg
Lisa Kluge, 20, Düsseldorf
Liliane Köppel, 23, Aachen
Linda Kuchta, 17, Krefeld



Text: Jutta Hölscher
Foto(s): Jutta Hölscher