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Projektberichte

19.11.2017
Ein alter Schatz gehoben: Oratorium „Luther im Worms“ von Ludwig Meinardus
Kölns Kulturkirche feiert die Reformation musikalisch

Das Reformationsjubiläum war und ist 2017 ein echter „Kulturmotor“. Viele evangelische Gemeinden in Köln, im Erftkreis und im Bergischen, zahlreiche Kulturschaffende im Rheinland und nicht zuletzt der Evangelische Kirchenverband in Köln und Region haben das diesjährige Reformationsjubiläum genutzt, um aller Orten Konzerte und andere Kulturveranstaltungen durchzuführen.

150 Mitwirkende erweckten Luther musikalisch zum Leben in der Trinitatiskirche in Köln

Ein solches, heute kaum noch bekanntes Stück ist das abendfüllende, zweiteilige Oratorium „Luther im Worms“ des norddeutschen Komponisten Ludwig Meinardus (1827-1896). Obwohl dieser fast zeitgleich mit dem berühmten Johannes Brahms (1833-1897) lebte, ist er im Gegensatz zu diesem heute fast völlig in Vergessenheit geraten. Zwar ist das Werk in Satzart, Stimmführung und Harmonik den gewichtigen, ausgeklügelten und reifen Kompositionen von Brahms nicht gewachsen, es gefällt aber durch seinen streckenweise eher schlichten, im Tonfall an Mendelssohn Bartholdy erinnernden melodischen Stil.

Luther von dem Reichstag
„Luther im Worms“ ist ein anspruchsvolles und aufwändiges Werk mit fünf Solisten, sinfonisch besetztem Orchester und großem Chor. Es entstand ab 1871 nach einem Libretto von Wilhelm Rossmann und thematisiert den berühmten Auftritt Luthers von dem Reichstag im Worms. Das Oratorium entwickelte sich damals rasch zum Kassenschlager: Ende des 19. Jahrhunderts war es eines der beliebtesten chorsinfonischen Werke und wurde einige hundert Mal aufgeführt.

„Luther in Worms“ in verschiedenen Spielstätten
Dieser damals bemerkenswerte Stellenwert von Meinardus' Komposition bildete sich auch im Jahr des 500. Reformationsjubiläums erneut ab: in Köln erklang das Werk unter Leitung von Thomas Gebhardt bereits am 3. Oktober 2017 in der Immanuelkirche in Longerich und auch die für hervorragende Kirchenmusik bekannte Dresdner Kreuzkirche war im November Aufführungsort von Meinardus „Luther in Worms“. Der Porzer Kreiskantor Thomas Wegst hat das Werk ebenfalls für sich und seine Chöre entdeckt und führte das Oratorium in der Kölner Trinitatiskirche auf. Zum Einsatz kam dabei die Porzer Kantorei. Dieser gemischte Gemeindechor zählt rund 50 Sängerinnen und Sänger und gestaltet regelmäßig nicht nur Gottesdienste, sondern auch Konzerte mit großen Oratorien fast aller Stile und Epochen.

Gute Intonation und klangschöne Blechbläser
Für die Meinardus-Aufführung hatte Thomas Wegst zusätzlich den Neuwieder Konzertchor engagiert. Dieser Chor besteht ebenfalls aus ambitionierten Laien und arbeitet unter Leitung von Thomas Schmidt projektweise. Dank dieser Kooperation standen Thomas Wegst rund 100 Choristen zur Verfügung. Diese füllten nicht nur optisch beeindruckend den Altarraum der Trinitatiskirche aus. Beide Chöre erwiesen sich auch als klangstarkes Äquivalent zum großen „Sinfonieorchester der Markuskirche Porz“. Dieses besteht aus professionellen Instrumentalisten und gefiel durch eine gute Intonation und vor allem klangschöne Blechbläser.

Große Anforderung an das Steh- und Singvermögen
Thomas Wegst gelang es, den Riesen-Apparat aus rund 150 Mitwirkenden mit präzisem Dirigat sicher durch das mehr als zweistündige Werk zu führen und seine Choristen zur Hochleistung zu motivieren. Denn: schon alleine konditionell stellt Meinardus Werk große Anforderung an das Steh- und Singvermögen. Als Solistenquintett wirkten die beiden Sopranistinnen Marina Unruh und Silke Hartstang, der Tenor Fabian Strotmann und die beiden Bassisten Rafael Bruck und Fabian Kuhnen mit. Alle Solisten wurden ihren Partien gut gerecht und überzeugten auch als Ensemble.

Zeugnis vergangener Zeiten
Mehr als 250 Zuhörerinnen und Zuhörer waren in die Kölner Trinitatiskirche gekommen. Sie alle hörten ein klangschönes, wuchtiges Werk des 19. Jahrhunderts, das hinsichtlich seiner epischen Breite und seiner von nationalstaatlichem Denken geprägten Sprache ein Zeugnis vergangener Zeiten ist. Angesichts des immensen Aufwandes, den Chöre, Solisten, Musiker und nicht zuletzt der Dirigent in die Realisation dieses Oratoriums investiert haben, darf man gespannt sein, wann „Luther im Worms“ wieder einmal zur Aufführung kommen wird.

Die Kölner Trinitatiskirche
Als die zentrale Kulturkirche im Herzen Kölns war die Trinitatiskirche in den letzten Monaten der Ort, an dem sich immer wieder spannende Veranstaltungen, hochkarätige Konzerte und interessante Gottesdienste erleben ließen. Das Spektrum deckte eine große stilistische Bandbreite vom Frühbarock bis zur Avantgarde und zur Neuen Musik ab und reichte dabei von Orgelmusik, einer CD-Produktion mit Kompositionsauftrag, Uraufführungen bis hin zu bemerkenswerten Chor-, Solo-, Kammermusik- und Orchesterkonzerten – allesamt mit thematischem Bezug zu Martin Luther und den anderen Reformatoren. Das 500. Reformationsjubiläum bot auch Gelegenheit, manchen vergessenen musikalischen Schatz in diesem Fall „Luther im Worms“ von Ludwig Meinardus zu heben und neu zum Klingen zu bringen.



Text: Wolf-Rüdiger Spieler
Foto(s): Wolf-Rüdiger Spieler