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Projektberichte

12.11.2017
Neue Thesen in der Kartäuserkirche am #Reformationstag
„Die Kirche und ihre Botschaft sollen eine Konstante in der unbeständigen Welt sein“

„Wir machen das wie im Hause Martin Luthers. Dort durften auch viele zusammenkommen, miteinander essen und reden“, begrüßte Dr. Anna Quaas rund 70 Gäste. Die Pfarrerin an der Kartäuserkirche und Alida Pisu, Prädikantin und Presbyterin an der Lutherkirche, hatten sich unter dem pfiffigen Motto „Ma(h)l Luther bei die Fische“ eine Bereicherung des breiten Veranstaltungsprogramms am Festtag überlegt.

Großen Anklag fand die Veranstaltung von Dr. Anna Quaas und Alida Pisu in der Kartäuserkirche

Und ihre Idee eines mittäglichen Mitbring-Büffets, verbunden mit Gesprächen über Luther und die Reformation, Gott und die Welt, ist „wunderbar“ aufgegangen. Davon zeugt auch, dass die vorgesehenen zwei Stunden locker verlängert wurden.

Salate, Suppen, Obst und Kuchen
Etliche der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten Speisen im „Gepäck“. So duftete es nach Serrano-Schinken mit Frischkäse am Stabe, Quiche vegetarisch und Tortilla, nach Linsen- und Gulaschsuppe. Ebenso stand man beim Nachtisch vor der Qual der Wahl: Aprikosen-Kirsch-Kuchen, Quark-Bananen-Speise, Pudding, Bienenstich…Die Teller klapperten, Gläser und Tassen wurden gefüllt – und sich dabei angeregt unterhalten.

Was heute reformiert werden muss
Wer wollte, durfte 500 Jahre nach der Veröffentlichung von Luthers Thesen eigene Ansichten zu aktuellen Themen und Problemen formulieren. „Wir wollen zurückgucken und gleichzeitig fragen, was ich heute reformieren würde“, sprach Pisu von einer reizvollen Verbindung. „Es gibt immer etwas zu verbessern.“ Vielfältig sind die auf Zetteln notierten (und so an eine Tafel geklebten – nicht genagelten –) Hoffnungen, Wünsche und Forderungen. Sie reichen von „weniger Lärm, mehr Ruhe“ über ein „stärkeres Miteinander der beiden Kirchen und weniger Scheinheiligkeit“ bis hin zu „mehr Empathie für Menschen mit offensichtlichen und verdeckten Schwächen“. Verlangt wird ein Verzicht auf verkaufsoffene Sonntage und dass die „schweigenden Mehrheit“ ihr Schweigen bricht. Bemerkenswert auch diese Feststellung: „Kirche muss sich nicht ändern. Ganz im Gegenteil: Die Kirche und ihre Botschaft sollen eine Konstante sein in einer Welt, in der sich genügend verändert.“

Zwischendurch: Tischreden Luthers…
Zwischen den einzelnen Gängen - Quaas hatte es angekündigt - zitierte sie aus Briefen und den im Nachhinein aufgezeichneten Tischgesprächen Luthers. Ein weibliches Gemeindeglied trug zudem Aussprüche vor, die das Verhältnis von Luther zum 14 Jahre jüngeren Philipp Melanchthon beleuchten. Beide seien eigentlich unzertrennlich gewesen, schickte sie voraus. Der eine habe den anderen gefördert, der andere den einen gefordert. „Kleine und leichte Sachen bewegen mich sehr, große aber nicht, denn da denke ich: Das ist dir zu hoch, du kannst es doch nicht halten, also lass es gehen. Philippus macht es umgekehrt: Meine Sorgen bewegen ihn nicht, ihn bewegen die großen Sorgen des Staates und der Kirche. So sind die Gaben verschieden“, lautete eine von Luthers Einschätzungen aus dem Jahr 1531.

…und Wissenswertes über seine Frau Katharina
„Hinter jedem großen Mann steht eine starke Frau“, eröffnete Pisu ihren Kurzvortrag über Luthers Gattin Katharina von Bora. Sie habe als eigenständige Frau wahrgenommen werden wollen. Tatsächlich, so die Prädikantin, dürfe man sie als eine ungewöhnliche Frau des Mittelalters, als „erste emanzipierte Frau“ charakterisieren. Luther habe geschwärmt, dass er seine Käthe weder für Frankreich noch Venedig hergeben wolle. „Gott hat sie mir gegeben.“ Nach der Flucht 1523 aus ihrem Kloster habe sie Luther in Wittenberg kennengelernt und erklärt, nur ihn heiraten zu wollen. „Es war kein Zufall, dass sich zwei so starke Persönlichkeiten gefunden haben“, sagte Pisu.

Geistige Gefährtin und Managerin des Haushaltes
Von Bora habe sich an den Tischgesprächen beteiligt, sei klug, wortgewandt gewesen. Sie müsse als geistige Gefährtin Luthers verstanden werden. „Sie ernährte die Familie, während er dabei war, die Welt auf den Kopf zu stellen“, hob die Vortragende auch auf von Boras organisatorische und praktische Fähigkeiten ab. Sie habe nicht nur die Umgestaltung des Hauses verantwortet, sondern sich unter anderem als Gärtnerin, Bäuerin, Bierbrauerin und Wirtschafterin hervorgetan. „Sie war wie eine Managerin.“



Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich