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Projektberichte

26.11.2017
„Rechtspopulismus bleibt Herausforderung für die Evangelische Kirche“
Nachrichten von der Verbandsvertretung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region im Herbst 2017

Ein kleines Glas „Jahrgangshonig 2017“ mit einem Luther-Konterfei auf dem Etikett fanden die Mitglieder der Verbandsvertretung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region zu Beginn ihrer Beratungen auf ihren Plätzen. Sabine Kistner-Bahr, Mitarbeiterin des Diakonischen Werkes, hat hinter dem Verwaltungsgebäude des Kirchenverbandes in der Kölner Südstadt zwei Bienenstöcke aufgestellt.

Die Mitglieder der Verbandsvertretung tagten im Haus der Evangelischen Kirche in Köln

Stadtsuperintendent Rolf Domning hatte beim Schleudern geholfen, wie er in seiner Andacht zu Beginn der Sitzung im Haus der Evangelischen Kirche erzählte. Während es den Bienen in der Stadt noch recht gut gehe, weil dort nicht flächendeckend Pestizide eingesetzt würden, ginge es den Insekten auf dem Land schlecht: „Mich haben die Nachrichten aus den letzten Wochen sehr beunruhigt, die über einen großen Rückgang der Insektenbestände in Deutschland berichten. Seit 27 Jahren, werden in 63 deutschen Naturschutzgebieten fliegende Insekten gefangen und gewogen, unter anderem auch die Bienen. Die Ergebnisse belegen, dass wir seit 1989 über drei Viertel der Insektenmasse verloren haben.“ Die Folgen für das Öko-System seien dramatisch. Der Stadtsuperintendent empfahl den Gemeinden, dem Vorbild des Verbandes zu folgen und ebenfalls Bienen zu halten: „Überhaupt nicht problematisch, ich selbst bin quasi neben einem Bienenhaus groß geworden und zum Frühstück im Feien besuchten uns nicht die Bienen, sondern die Wespen. Die essen lieber Schinken als Nektar.“ Auch Martin Luthers Frau Katharina Bora sei Imkerin gewesen, berichtete Domning und verwies auf die Ausstellung über „reformatorische Frauen“ aus den vergangenen fünf Jahrhunderten, die gerade im Haus der Evangelischen Kirche zu sehen ist.
Ein Glas Honig, gesammelt von den fleißigen Bienen auf dem Gelände des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region

Gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit
Unter der Überschrift „Rechtspopulismus als Herausforderung für die Evangelische Kirche“ widmete sich der Stadtsuperintendent in seinem Bericht für die Verbandsvertretung einem gesellschaftspolitischen Thema und konkret dem AfD-Parteitag in Köln. Der Evangelische Kirchenverband Köln und Region war kritisiert worden, weil er unter dem Motto „Unser Kreuz hat keine Haken“ gegen Ausgrenzung und Rassismus als Teil von „Köln stellt sich quer“ zu einer Demonstration vor dem Parteitagshotel aufgerufen hatte. „‘Unser Kreuz hat keine Haken‘ war ein Motto, das aus meiner Sicht auch im Nachhinein nicht verkehrt war. Darüber lässt sich sicher streiten“, sagte Domning in seinem Bericht. „Manche meinten, dass es zu pauschalierend sei. Wir wollten damit deutlich machen, dass unser Kreuz ein allen Menschen geltendes Symbol der Versöhnung ist. Jegliche nationale Vereinnahmung widerspricht dem universellen Gedanken des Heilshandelns Gottes. In den letzten Jahren haben wir mit Erschüttern wahrnehmen müssen, dass sogar das Kreuz selbst in den deutschen Nationalfarben auf Demonstrationen und Kundgebungen zur Schau gestellt wurde.“

Domning stellte auch die Frage, ob Protestanten anfällig seien für Propaganda, Hetze und Fremdenfeindlichkeit. Das ließe sich nach den Worten des Stadtsuperintendenten nicht ausschließen, „da die Volkskirchen immer auch ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen und Einstellungen sind. Das ist eine alte Erkenntnis. Überrascht hat mich allerdings, dass Anne Broden, Leiterin des Informations-und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen, aus einer Studie zitieren konnte, dass bundesweit etwa 21,7 Prozent der Mitglieder der evangelischen Kirche rassistische Einstellungen haben, bei den Katholiken sind es 22,7 Prozent, bei den konfessionell nicht gebundenen Menschen 18,7 Prozent.” Der Stadtsuperintendent erinnerte auch an das vielfältige und ungebrochene Engagement der Gemeinden im Kirchenverband in der Unterstützung von Geflüchteten. Er verwies auf ein Papier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), das den Titel trägt „Konsens und Konflikt, Politik braucht Auseinandersetzung“, das im Internet abrufbar ist.

Bereitschaft zum Dialog darf nicht nachlassen
Das zweite große Thema seines Jahresberichtes hatte Domning mit den Worten „Der Dialog mit dem Islam ist in schwierigere Fahrwasser gekommen“ überschrieben. Auf kirchlicher Seite, und da wollte er sich selbst nicht davon freisprechen, sei es im vergangenen Jahr zu Irritationen gekommen und auch zu einer abwartenden Haltung. Aber: „Die Bereitschaft zum Dialog, das ist meine tiefe Überzeugung, darf nicht nachlassen.“ Der Stadtsuperintendent hat Ambivalenzen beobachtet: „Manches hat sich spürbar im Umgang mit den Vertretern der DITIB verändert. Aber viele gute, fast freundschaftliche Verbindungen sind geblieben.“ Gut sei der Kontakt weiterhin zum Verband islamischer Kulturzentren (VIKZ).

Domning hatte bei den Ämterleitern des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region nachgefragt, wie es um den Dialog ihrer Einrichtungen mit den muslimischen Kooperationspartnern steht. Helga Blümel, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Köln und Region, berichtet, dass es im Rechtsrheinischen im Umfeld des Dialog-Gymnasiums in Mülheim offenbar Veränderungen bei den Kommunikationspartnern gebe. Dort betreibt das Diakonische Werk das Jugendzentrum Treffer und es gibt ein interkulturelles Zentrum. Insgesamt bestehe laut Helga Blümel in Gremien der Eindruck, dass es im Hintergrund große Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen türkisch-muslimischen Gruppen wie auch den politisch linken kurdischen Gruppen gebe. Aus der Gefängnis-Seelsorge berichtete Pfarrerin Claudia Malzahn, dass Vertreter von radikal-muslimischen Gruppen versuchten, als Inhaftierte oder Besucher Gefangene zu „missionieren“. Domning berichtete von Initiativen von muslimischer Seite, die dies zu unterbinden versuchen. „Sie sehen, die Lage ist durchaus angespannt, das ist zu spüren. Uns ist es wichtig, auch und gerade im Rat der Religionen den Dialog nicht abbrechen zu lassen. Vertraute Dialogpartner und Dialogpartnerinnen sind geblieben wie Rabeya Müller, Imamin der liberalen muslimischen Gemeinde. Mit ihr und anderen, auch von der DITIB gibt es weiterhin gute Kontakte im Schulreferat und im Pfarramt für Berufskollegs. Besuche bei der DITIB hat es seit zwei Jahren allerdings nicht mehr gegeben.“

Dank an Eckart Schubert und Dr. Bernhard Seiger
Im nächsten Jahr startet das Projekt „Fortbildung und Ausbildung in Seelsorge“ für Ehrenamtliche. „Dieses Angebot dient der Qualifizierung von Ehrenamtlichen, die bereits in der Gemeindeseelsorge tätig sind beziehungsweise gewonnen werden können“, sagte Domning und bat die Gemeinden dafür zu werben. Der Umbau des Hauses an der Brandenburger Straße, dem ehemaligen Sitz des Diakonischen Werkes, ist abgeschlossen. In Kürze werden dort 48 Geflüchtete in Wohnungen einziehen. Die Verbandsvertretung hatte sich in einer ihrer früheren Sitzungen einmütig für diese Art der Nachnutzung ausgesprochen.
Stadtsuperintendent Rolf Domning dankt Pfarrer i.R. Eckart Schubert für seine Arbeit in der Kircheneintrittsstelle in Köln

Der Stadtsuperintendent dankte Pfarrer i.R. Eckart Schubert für seine „treue und verantwortungsvolle“ Arbeit in der Kircheneintrittsstelle an der Antoniterkirche. Der ehemalige Superintendent des Kirchenkreises Köln-Mitte hat die Stelle seit 2003 geleitet. „Rund 3.400 Menschen sind seitdem dort in die Kirche eingetreten“, berichtete Domning. Schubert wurde kürzlich in der Antoniterkirche verabschiedet. Der Dank des Stadtsuperintendenten galt auch dem Bayenthaler Pfarrer Dr. Bernhard Seiger, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Süd und Beauftragter des Kirchenverbandes für das Reformationsjubiläum: „Sie haben frühzeitig im Vorstand darauf gedrängt mit einer Arbeitsgruppe zu planen, wie wir das Jubiläum in Köln und Region feiern wollen. Das war mit sehr viel Arbeit und hohem Engagement Ihrerseits verbunden. Sie waren nicht nur der Schlagmann, den wir aus der Rudersport kennen, und der von Anfang ein notwendiges Tempo vorgegeben hat. Sie haben sich auch in bewundernswerter Weise um wichtige Einzelheiten gekümmert wie die Sitzverteilung in der Philharmonie – eine Wissenschaft für sich, sage ich Ihnen.“ In seinen Dank schloss Domning auch ausdrücklich die Mitarbeitenden der Verbandsverwaltung ein.
Stadtsuperintendent Rolf Domning dankt Dr. Bernhard Seiger für seine Arbeit als Beauftragter des Kirchenverbandes für das Reformationsjubiläum

Dr. Seiger nannte in seinem Bericht als Reformationsbeauftragter des Kirchenverbandes als eine wesentliche Erfahrung aus den rund 500 Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum in den Gemeinden des Kirchenverbandes: „Evangelisch sein darf Spaß machen.“ Viele neue Formate wie Musicals, Festmahle wie zu Luthers Zeiten und „historische Tiefenbohrungen“ hätten die Menschen neugierig gemacht auf evangelische Kirche. „Mit unseren Inhalten waren wir beim Wesentlichen.“ Die langfristige Planung habe sich genauso bewährt wie die fruchtbar pragmatische Zusammenarbeit im Jubiläumsjahr zwischen den Gemeinden und den Kirchenkreisen.

Diakoniespende für den Vringstreff
Einmütig entschieden die Mitglieder der Verbandsvertretung, die Diakoniespende im kommenden Jahr für den Vringstreff zu sammeln. Der Vringstreff e.V. ist ein gemeinnütziger, ökumenischer Verein, dessen Aufgabe es ist, Menschen mit und ohne Wohnung, von Wohnungslosigkeit Bedrohten, unterschiedlicher Kulturen und Religionen in christlicher Nächstenliebe Integration und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Neben dem Angebot einer Fachberatungsstelle gemäß § 67 SGB XII hat der Verein eine Begegnungsstätte gegründet, mit deren Angeboten die oben genannten Ziele umgesetzt werden sollen. Die Angebote der Begegnungsstätte umfassen ein Mittagstischangebot, Freizeit- und Kulturangebote sowie Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten.

Finanzen im Gleichgewicht
Regelmäßig stehen die kirchlichen Finanzen auf der Tagesordnung der Verbandsvertretung im Herbst. Zunächst beschäftigten sich die Abgeordneten mit der erfreulichen Vergangenheit. Das Haushaltsjahr 2016 schloss mit einer Bilanzsumme in Höhe von rund 106 Millionen Euro. Es wurde ein Haushaltsergebnis in Höhe von 1, 81 Millionen Euro erzielt. Dieses Geld geht zu 80 Prozent an die Gemeinden und wird nach der jeweiligen Gemeindegliederzahl verteilt. Damit werden knapp über fünf Euro pro Gemeindeglied verteilt. Die restlichen 20 Prozent des Haushaltsergebnisses erhält der Kirchenverband zur Erledigung seiner Aufgaben. Für 2018 rechnet Lothar Ebert, im Vorstand des Verbandes zuständig für die Finanzen, mit Kirchensteuereinnahmen in Höhe von 102 Millionen Euro. Weitere Einnahmen hinzugerechnet ergibt sich in der Planung ein Gesamtbetrag der Erträge von 117,53 Millionen Euro. Dem stehen geplante Aufwendungen in Höhe von 118,1 Millionen Euro. Die Differenz wird durch eine Rücklagenentnahme ausgeglichen. Von den Kirchensteuereinnahmen in Köln verbleibt nicht mal die Hälfte in der Stadt. Nach Abzug zahlreicher zum Beispiel landeskirchlicher Umlagen können in Köln 2018 noch 50 Millionen Euro verteilt werden.
Stadtsuperintendent Rolf Domning verabschiedet Berufsschul-Pfarrer Dr. Johannes Voigtländer, der Beauftragter des Reformierten Bundes und der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Karl-Barth-Jahr 2019 wird.

Personalia:
Der Berufsschul-Pfarrer Dr. Johannes Voigtländer nahm zum letzten Mal an einer Sitzung der Verbandsvertretung teil. Er wird in dem Jahr vor seiner Pensionierung Beauftragter der Reformierten Bundes und der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Karl-Barth-Jahr 2019. Pfarrerin Dorothee Schaper, Studienleiterin an der Melanchthon-Akademie, wurde Anfang 2018 zur Frauenbeauftragten des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region ernannt und vor kurzem in ihr Amt eingeführt. Die Mitglieder der Verbandsvertretung gedachten auch der in diesem Jahr Verstorbenen. Dies waren Pfarrer i.R. Martin Hüneke aus Lindenthal und Jozsef Glatz aus Hürth.



Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann/APK