Suche/Archiv
Projektberichte

02.07.2014
Der schweigsame Bruno stand im Zentrum wissenschaftlicher Gespräche
Veranstaltungsreihe zur Geschichte und Kultur der Kartäuser in der Melanchthon-Akademie

Bruno der Kartäuser hatte es nicht leicht in Köln. Zwar machte der Ordensgründer als Bruno de Cologne, Bruno di Colonia oder Bruno of Cologne den Namen seiner Geburtsstadt in ganz Europa bekannt, wie es später in vergleichbarer Weise – und dann weltweit – nur noch dem Kölnisch Wasser gelang. Ein früher Europäer immerhin, der im Chartreuse-Gebirge in den französischen Alpen eine große Einsiedelei errichtete – die Große Kartause – und im Jahre 1101 in Kalabrien starb, dessen Leistungen in der Domstadt allerdings erst relativ spät in angemessener Weise gewürdigt wurden.

Als Skulptur ist Bruno auf dem Portal der Kölner Kartause verewigt.

Grande Chartreuse vor 930 Jahren gegründet
Dies, aber auch das Selbstverständnis, das die Bürger Kölns in Mittelalter und früher Neuzeit von sich und ihrem Gemeinwesen hatten, verdeutlichte Werner Beutler in seinem Vortrag „Das Bild der Stadt Köln in den Bruno-Viten“ in der Melanchthon-Akademie anhand verschiedener historischer künstlerischer Darstellungen. Genau 930 Jahre ist es her, seit Bruno seine Grande Chartreuse gründete und vor 35 Jahren wurde mit Unterstützung der Akademie dort, wo sich einst die Kölner Kartause befand und heute das Haus der Evangelischen Kirche steht, eine erfolgreiche internationale Veranstaltungsreihe zur Geschichte und Kultur der Kartäuser ins Leben gerufen.

Das Wirken der Kartäuser
Die findet an wechselnden Orten statt, anlässlich der kleinen Jubiläen war die Melanchthon-Akademie kürzlich nun wieder Gastgeber einer dreitägigen internationalen Tagung zum Thema „Die Kartäuser im Blickpunkt der Wissenschaften“, die in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Freundeskreis der Kartäuserforschung e.V. durchgeführt wurde. Da ging es um das Wirken der Kartäuser in den Niederlanden oder in Italien, die Beziehungen zwischen Kartäuserorden und Kurie, den Einfluss der Kartäuser auf die Zisterzienser oder die Rolle der Kartausen als Bank- oder Versicherungshäuser. Aber eben auch um Köln.

Klostergründungen konnten zur Heiligsprechung führen
Wenn ein echter Kölner den Namen Bruno hört, so Beutler, dann denkt er zunächst an St. Bruno, den Bruder des Kaisers Otto I, der im Jahre 953 zum Erzbischof von Köln gewählt wurde. „Und jeder Erzbischof, der auf sich hielt, sorgte beizeiten dafür, dass er nach seinem Tod heilig gesprochen wurde, etwa durch Klostergründungen“, führte Beutler aus. Erzbischof Bruno war in dieser Hinsicht sehr rührig, nebenbei holte er Petrusstab und Petruskette nach Köln. Auch sonst hatte das ’hillije Kölle’, das bereits auf einer Münze aus der Zeit Ludwigs des Frommen (778- 840) als „Sancta Colonia“ bezeichnet wird, einiges zu bieten: die Gebeine der Heiligen Drei Könige etwa, und allein die Heilige Ursula hatte ein Gefolge von 11.000 Jungfrauen mitgebracht, St. Gereon immerhin eine Legion.

Tunnel unter der Stadtmauer
Auf dem Titelblatt der „Chronica van der hilliger Stat Coellen“ von Koellhoff aus dem Jahre 1499 etwa ist das Stadtwappen umringt von Heiligen wie Severinus, Heribertus, Maternus oder Kunibertus, die als Beschützer der Stadt galten. Himmlische Mächte überwachen in einem erhaltenen Relief an der Stadtmauer auch die Nacht- und Nebel-Aktion der Krieger von Erzbischof Engelbert II, die einen Tunnel unter der Stadtmauer gruben, um die Herrschaft über Köln wiederzugewinnen. Was denn auch misslang. Und auch auf einem imposanten Gemälde von 1635, das in St. Gereon hängt, findet die Verherrlichung der Dreifaltigkeit im Luftraum direkt über Köln statt.

1334 Gründung der Kölner Kartause
So hätte auch bei der von 1180 bis 1250 erbauten, acht Kilometer langen Stadtmauer die Hälfte des Umfangs gereicht: „Man wollte aber unbedingt alle Gräber aller Heiligen innerhalb der Mauer haben“, so Beutler. So habe auch die 1334 gegründete Kölner Kartause nahe der Mauer einst noch abgelegen zwischen Äckern und Wissen gestanden. Bruno der Kartäuser selbst ist Thema eines Holzschnitts von Anton Woensam, der wohl kurz vor oder nach Brunos Heiligsprechung im Jahre 1514 entstanden ist. Dort ist auch das Kölner Wappen zu sehen, daneben das Wappen der Patrizierfamilie Hardefust: „In der Renaissance war es üblich, dass wichtige Persönlichkeiten solchen Familien zugeordnet wurden, die wiederum ihre Abstammung von römischen Senatoren behaupteten“, erklärte Beutler.

Das Schweigen liegt dem Kölner nicht
Neben anderen Heiligen ist Bruno auch auf dem Deckblatt der Schrift „Vitae Sanctorum“ vertreten. Darin schildert der Kölner Verfasser Laurentius Surius die fromme Lebensführung von Heiligen, um sie vor dem von Protestanten gegenüber der katholischen Heiligenverehrung geäußerten Vorwurf der Idolatrie in Schutz zu nehmen. Auffällig auch, dass im Hindergrund nicht die Silhouette des Doms zu sehen ist, sondern die Umrisse der Kartäuserkirche. Als Skulptur ist Bruno auf dem Portal der Kölner Kartause verewigt, aber auch über dem Portal von St. Severin. Zur kölschen Folklore gehört der Kartäuser dennoch nicht, und Werner Beutler glaubt auch, den Grund dafür zu kennen: Die Kartäuser schweigen nun mal zumeist, und das liege dem Kölner nun gar nicht. Allerdings sei der Orden nicht so streng wie die Trappisten, die niemals reden dürfen. Bei den Kartäusern dürfe man sich wenigstens sonntags und bei gemeinsamen Ausflügen unterhalten. „Daran erkennt man den Kölner“, so Beutler, „irgendwann muss der schwade.“

Vesper in der Tradition der Kartäuser
Gerne waren die ca 30 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Belgien und Deutschland in der Melanchthon-Akademie – und zum Abschluss natürlich auch in der Kartäuserkirche, wo sie zusammen mit Pfarrer Mathias Bonhoeffer und Akademieleiter Pfarrer Dr. Martin Bock eine lateinisch-deutsche Vesper in der Tradition der Kartäuser beteten und sangen. Und auch dazu hatte Beutler eine passende Anekdote parat: Wenn die Kölner im 18. Jahrhundert durch die Kartäusergasse gingen und die offenbar besonders klangvoll tönenden Gesänge aus der Klosterkirche hallten, war es um manches fromme Herz geschehen, und der Orden bald um einen Novizen reicher. Wie gut, dass die Musik in der Kartäuserkirche auch heute unter ganz anderen Vorzeichen immer noch manches Herz höher schlagen lässt!



Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans