Suche/Archiv
Projektberichte

10.11.2014
Lutherreise bot Chance, sich dem Reformationsjubiläum zu nähern
Kerpener Gemeinde bereiste Lutherstätten in Eisenach, Erfurt, Eisleben und Wittenberg

Es sind zwar noch gut zwei Jahre bis 2017 der 500. Jahrestag der Reformation gefeiert wird. Dennoch hat sich die Evangelische Kirchengemeinde Kerpen bereits an vier Tagen im Oktober dieses Jahres auf Spurensuche lutherischen Wirkens begeben. „Dem Reformator über die Schulter geschaut“, lautete der Titel der viertägigen Reise.

Pfarrerin Dr. Yvonne Brunk (in weiß-roter Jacke) mit ihrer Reisegruppe in Wittenberg.

Kurz vor den Herbstferien machten sich 37 Menschen, meist evangelische Gemeindeglieder der Johanneskirche Kerpen, einige Katholiken sowie Gäste aus Erftstadt und Frechen auf, um sich vor Ort ein Bild über das Wirken Martin Luthers in seiner Heimat zu machen. Gemeindepfarrerin Dr. Yvonne Brunk hatte die Teilnehmenden zuvor schon umfassend mit entsprechenden Fachinformationen versorgt. Dementsprechend sollte die Reise in Vorbereitung auf 2017 als Gemeindefahrt verstanden und gestaltet werden.

Erste Station: die Wartburg
Erste Station war als absolutes Muss die Wartburg bei Eisenach, wo Luther sich 1521 nach dem Wormser Edikt zehn Monate lang unter dem Namen Junker Jörg versteckt hielt. „Oben in der Schlosskapelle bekam man eine Vorstellung davon, wie Luther hier Andacht gehalten hat“, so Brunk. Zwar war die Georgenkirche gesperrt, aber das Museum auf der Wartburg gab einen aufschlussreichen Einblick in die damaligen Lebensumstände des Reformators.

Zweite Station: die Handelsstadt Erfurt
Noch am selben Tag ging es weiter nach Erfurt in die Landeshauptstadt Thüringens. In der ehemals reichen Handelsstadt bekam die Gruppe in zwei „sehr konzentrierten und informativen Führungen“ Einblicke in den Mariendom und das städtische Leben im späten Mittelalter. Besonders beeindruckend war die fachkundige Kostümführung über Handel, Märkte und Waid zu Luthers Zeiten. Abgerundet wurde dieser erste inhaltlich dichte Tag durch einen herzhaften dreigängigen Lutherschmaus im Tonnengewölbe des Lutherkellers. Dabei durften auch die traditionellen Puffbohnen nicht fehlen.

Am Feiertag kehrte Ruhe ein
Am Feiertag, 3. Oktober, erkundeten die Teilnehmenden die Stadt Erfurt fernab jeder Hektik. „Es war, als ob die Stadt extra für uns drei Gänge heruntergeschaltet hätte“, freute man sich. Darüber hinaus luden Matthias Gose und Jürgen Reinfahrt die Gruppe zu einer Spurensuche ins Augustinerkloster ein, in dem Luther von 1505 bis 1511 als Augustinermönch in einer Zelle gelebt hatte.

Dritte Station: Luthers Taufkirche in Eisleben
Von Erfurt ging es weiter nach Eisleben, dem Geburts- und Sterbeort des Reformators (1483 bis 1546). In Luthers Taufkirche erlebte die Gruppe eine neue Museumspädagogik, deren Intention darin besteht, sowohl die Institution Kirche als auch die Taufe populärer zu machen. Trotz der informativen Inhalte waren sich alle einig, dass dieser Ansatz nicht stimmig im lutherschen Sinne sei und – bei ausreichend Zeit – einer thematischen Auseinandersetzung bedürfe. Jedoch stand als nächster Programmpunkt bereits die Besichtigung der Steinbibel in der St. Annenkirche und die Besichtigung der Lutherkanzel in der St. Andreaskirche an.

Wittenberg als würdiger Abschluss
Gut 100 Kilometer entfernt von Eisenach liegt Wittenberg, die letzte Station der Lutherreise der Kerpener Gemeinde. Dort übernachtete die Gruppe zentral im Lutherhotel in der historischen Altstadt und genoss das Abendessen im „Tante Emma Café und Bierhaus“ am Markt mit gemütlichem Sofa-Ambiente.

Besichtigung der Schlosskirche
Die thematische Stadtführung mit Besuch des Lutherhauses bezeichnete Pfarrerin Brunk als „sehr individuell auf die Bedürfnisse unserer Gemeindegruppe abgestimmt“ und Führerin Katja Köhler als „absoluten Schatz“. Eines der Highlights in Wittenberg war die Besichtigung der Schlosskirche. Derzeit wird sie in Vorbereitung auf 2017 saniert, hat aber mit dem Angebot einer Baustellenführung aus der Not eine Tugend gemacht. Die Besuchenden konnten die Grabstätten Luthers und Melanchthons gewissermaßen hinter einer Baufolie erahnen. Im Gegensatz dazu ist die ebenfalls in Restaurierung befindliche Stadtkirche mit dem berühmten Cranach-Altar derzeit nicht begehbar. Während der Bauphase zeigt eine improvisierte Ausstellung mit Nachbildungen und Fotos im Foyer der Kirche zwar die Schätze der Kulturstätte, kann jedoch nicht die von ihr ausgehende Atmosphäre vermitteln.

Persönliche Postkarte mit Lutherkopf
Die Druckvorführung in der Werkstatt von Meister Metschke war einer der Höhepunkte in Wittenberg. Dort konnte jeder seine persönliche Postkarte mit Lutherkopf gestalten und drucken. Kulinarisch abgerundet wurde der Tag beim Hofwirt in den Cranach-Höfen, wo deftige Speisen wie zum Beispiel die Eintopfterrine Soljanka serviert wurden. Abgerundet wurde der Tag durch eine Nachtkostüm-Führung mit „Frau Luther“ und „Frau Cranach“ sowie den Herren der Stadtverwaltung. Ausgerüstet mit Hellebarde und Laterne unterhielten sich die Damen in spätmittelalterlicher Sprache über ihre Ehemänner, gewürzt mit politischen Statements der Ratsherren.

Impulse für die Ökumene
Ein sonntäglicher Familiengottesdienst in der Schlosskirche mit rund 250 internationalen Teilnehmenden bildete den Abschluss der viertägigen Reise zu den Stätten lutherischen Wirkens. Für die Gruppe aus Kerpen und den Nachbarstädten setzte die Reise zahlreiche Impulse, nicht zuletzt in Richtung Ökumene. Demnächst erscheint ein Reisebericht sowohl im evangelischen als auch im katholischen Gemeindebrief. Pfarrerin Yvonne Brunk fasst die Reise mit den Worten zusammen: „Wenn man jemandem über die Schulter schaut, dann macht das etwas mit einem.“ Der lange Vorlauf bis zu den Jubiläumsfeiern in 2017 biete die Chance, sich der Reformation schon jetzt intensiv zu nähern, um sich mit dem Thema dann in gut zwei Jahren auf regionaler Ebene in Form von Ausstellungen und Projekten auseinanderzusetzen.

-----------------------------------------------

Infos:
Die viertägige Reise wurde von der Gemeinde bezuschusst und hat knapp 400 Euro pro Person gekostet. Hinzu kamen die Kosten für die Mittagsverpflegung.
Organisation: Pfarrerin Dr. Yvonne Brunk, Gemeinde Kerpen
Planung: Gudrun Haake, Antea Reisen, Kultur-Reiseveranstalter für Gruppen im Bereich: Architektur, Kunst, Musik, Literatur, Kultur-Natur und Religion in Europa



Text: Anne Siebertz
Foto(s): Uta Klimkeit