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Projektberichte

27.11.2014
Landeskirche startet Aufbruch mit Zukunftsinitiative „glaubensreich“
Viele können sich auf den Weg machen, um am Reformationstag 2016 der Kirche eine weitere Richtung zu geben

Was passiert, wenn einander unbekannte Menschen miteinander in einen kreativen Prozess eintreten? Wenn es keine Antworten gibt, auf Fragen, die sie stellen könnten? Wenn sie sich auf Stichworte einlassen, die Impulse für einen ergebnisoffenen, globalen Prozess sind? Die auf zwei Jahre angelegte Zukunftsinitiative „glaubensreich“ versteht sich als basisorientiertes Beteiligungsprojekt. Im November ist sie in der Kölner Trinitatiskirche gestartet.

Pfarrer Christoph Nötzel lädt dazu ein, mitzudenken, anzustoßen, auszuprobieren ...

Vom Niederrhein, aus dem Saarland, der Eifel und aus dem Hunsrück, natürlich auch aus Köln und Düsseldorf sind sie am vergangenen Samstag in die Kölner Trinitatiskirche gereist: 120 Frauen und Männer, die sich gemeinsam mit der Kirche auf den Weg machen möchten. Wenngleich weder die Einzelschritte noch das Ziel feststehen, so ist zumindest eines klar: Es geht in Richtung Zukunft.

Keiner schaut zu - alle machen mit
Vieles war anders bei der Auftaktveranstaltung von „glaubensreich“. Wer Anregungen aus Vorträgen oder Präsentationen zum Thema „Zukunft“ erwartet hatte, stellte schon nach den wenigen Begrüßungsworten von Initiator Christoph Nötzel fest: Wir selbst sind die Akteure des heutigen Tages. Weder um Hierarchien, noch um Input soll es bei „glaubensreich“ gehen. Ein jeder soll mitdenken, ausprobieren, anstoßen, mitmachen. Und weitersagen. Es geht um Menschen, die sich anstecken lassen und darum, mit Unbekannten aufzubrechen in Richtung des Neuen und Ungewohnten.

Zwei Jahre am Konzept gefeilt
Christoph Nötzel ist bereit, aufzubrechen. Den Auftrag, eine nach allen Seiten offene Initiative zu entwickeln, erhielt er als Leiter des Amtes für Gemeindeentwicklung und missionarische Dienste (gmd) vor rund drei Jahren von der Landeskirche. Seitdem ist er mit vielen Mitstreitern auf dem gedanklichen Weg. Unter anderem zusammen mit Dorle Schmidt, die als Designerin zuständig ist für die Gestaltung des gesamten Projekts. Gemeinsam mit Nötzel hat sie zwei Jahre lange gefeilt am Konzept, an einem frischen Wording und zukunftsweisender Gestaltung. Da etwas grundlegend Neues entstehen sollte, galt es einen ganzen Strauß kreativer Prozesse zu entwickeln. Vielfältig und offen sollten sie sein, damit sich alle Menschen, die Kirche in Bewegung bringen wollen, jederzeit in die Initiative einklinken können.

Kein Relevanzverlust von Kirche und Glauben
Da ist die Rede von „dem Geist Raum schenken, Mut zu Innovation, Kreativität entzünden“. Nicht warten, sondern aufbrechen. Zusammen mit Menschen, die etwas in der Kirche bewegen wollen. Tobias Klug ist gekommen, weil er als Dozent für Gemeindepädagogik festgestellt hat, dass viele seiner Studenten in der Kirche keine geistliche Heimat mehr haben. „Da braucht es neue Formen und neue Wege, die Kirche mitzugestalten und zu verändern“, meint er und ist gespannt, wie dieser Prozess mit „glaubensreich“ angestoßen werden kann. Auch Katinka Brunotte, Pfarrerin im Kirchenkreis Köln-Süd, hat sich aufgemacht, um mitzudenken. Sie ist begeistert von dem Netzwerkgedanken des Prozesses und freut sich, dass so viele Menschen mit ähnlichen Sehnsüchten und Ideen aus unterschiedlichen Regionen der Landeskirche in Köln zusammengekommen sind. Einen Relevanzverlust von Kirche und Glauben gebe es nicht, sagt sie, sondern vielmehr die Frage, wie man der Relevanz heute Ausdruck verleiht.

Intensiv kreativ ging es zu während der Auftaktveranstaltung von "glaubensreich" in der Kölner Trinitatiskirche


„Was würde ich gerne ausprobieren?“
Für den Prozess des gemeinsamen Nachdenkens sitzen sich jeweils sechs einander weitgehend unbekannte Personen an einem Tisch gegenüber. Aufgestellt sind die Tische an den Seiten der Kirche. Jeder kann von seinem Platz aus auf den Altar schauen. Dort werden an diesem Tag allerdings nur wenige Worte gesprochen. Ein Banner fragt vielmehr: „Worauf warten wir noch?“ Stifte und blaue Karten auf den Tischen laden dazu ein, kreative Ideen niederzuschreiben. Vor sich findet jeder Teilnehmende ein kleines Überlebenspäckchen: das Rüstzeug für den Tag. Darin befindet sich eine Postkarte, die einlädt zu kommenden Austausch- und Gesprächsrunden und zu einem Rundgang vorbei an Stellwänden mit vielen Ideen. Eine weitere Karte in der Mitte der Tische informiert über das Programm: In drei Gesprächsrunden soll den Fragen nachgespürt werden: „Warum bin ich heute hier?“ „Was bewegt mich, was liegt mir am Herzen?“, und schließlich: „Was würde ich gerne ausprobieren?“

Kirchen-Flashmob und Gebetsnetzwerk
Während der drei Runden gilt es, die blauen Karten mit möglichst vielen Ideen zu füllen. An die Tafel ‚Die weltweite Kirche als Herausforderung’ hat jemand zum Beispiel den Gedanken „überörtliches Gebetsnetzwerk“ geheftet. Ein anderer stellt sich eine internationale englisch sprechende Gemeinde vor. Und wieder jemand anderes wünscht sich ein Freiwilliges soziales Jahr bei den Missionsgesellschaften. Unter dem Stichwort „Gemeinschaft intensivieren und offen halten“ wünscht sich ein Teilnehmer Lieder und Aktionen – auch mit Kindern am Sonntag. Ein anderer kann sich gut einen Kirchen-Flashmob vorstellen, und wieder andere würden gerne die ganze Gemeinde zu einer Zukunftskonferenz einladen.

Weitersagen mit Klebezetteln und Visitenkarten
Nach der kreativen Ideensammlung am Vormittag geht es am Nachmittag ums Vernetzen. Jeder ist eingeladen, Vorschläge an den Stellwänden zu kommentieren. „Tolle Sache“ heißt es da auf einem Klebezettel zum Vorschlag „lebendiger Adventskranz an ungewöhnlichen Orten: Gerichtssaal, Schiff, Schatzkammer im Museum“. Bei der Anregung „Spiritualitätsangebote für Männer“ hat ein anderer seine E-Mail und den Kommentar hinterlassen: „Gute Idee. Wie fange ich das an?“
An diesem Tag hat ein loses Netzwerk seine ersten zarten Knospen gebildet. Nötzel und seine Mitstreiter möchten, dass es weiter wächst. Auf dem Papier, im Netz, in einem Blog. Überall in der Landeskirche und darüber hinaus soll es Anhänger finden, die sich auf den Weg machen, um der Kirche am Ende, kurz vor dem Reformationstag 2016, eine weitere Richtung für die Zukunft zu weisen.

Drei Veranstaltungen im Jahr 2015
Bis dahin geht es bei drei Veranstaltungen im neuen Jahr weiter mit den nächsten Schritten: träumen, tauschen, Ideen umsetzen. Der Prozess bleibt weiterhin offen. „Was Sie heute träumen, muss morgen nicht getan sein. Mancher Weg ist weit“, resümiert Christoph Nötzel die Veranstaltung. Und lädt alle, die mitträumen möchten, zu den Treffen im Februar, Mai oder September ein.



Text: Anne Siebertz
Foto(s): Anne Siebertz