Suche/Archiv
Projektberichte

29.10.2015
Kölner Symposium über Bilderverehrung und Bilderverbot
In der Melanchthon-Akademie diskutierten evangelische, katholische und orthodoxe Christinnen und Christen über die Bilder in ihren Kirchen

Die Reformierten verzichten auf sie, die Orthodoxen brauchen sie als Fenster zu Gott: Christliche Glaubenspraxis geht unterschiedlich mit Bildern um. Im Themenjahr 2015 „Bild und Bibel“ trug ein Symposium in der Kölner Melanchthon-Akademie Positionen zusammen.

Dr. Martin Bock, Dr. Susanne Wolf, Professor Dr. Jürgen Ebach, Oberkirchenrätin Barbara Rudolph, Erzpriester Constantin Miron und Oberkirchenrat Dr. Martin Illert (v.l.).

Lenken sinnliche Bilder vom Wahrnehmen des Evangeliums ab? In Köln diskutierten evangelische, katholische und orthodoxe Christinnen und Christen über die Funktion von Bildern in ihren Kirchen. Das ökumenische Symposium unter dem Titel „Was ist so schlimm an den Bildern?“ drehte sich um Fragen des Bilderverbots und der Bilderverehrung.

Arbeitshilfe "Du sollst dir kein Bild machen – durch sein Bild bekennen wir die Erlösung"
Nicht nur in der Liturgie, sondern auch im Umgang mit sinnlich wahrnehmbaren Bildern unterscheiden sie sich, teils sogar radikal. Zunächst stellte Oberkirchenrätin Barbara Rudolph die Arbeitshilfe zum Themenjahr 2015 der Reformationsdekade vor. "Du sollst dir kein Bild machen – Durch sein Bild bekennen wir die Erlösung", auch sie beleuchtet das reformatorische Anliegen der Wortverkündigung und die orthodoxe Verkündigung durch die Ikone.

Verschiedene Lesarten

In seinem Vortrag "Menschen sollen keine Bilder Gottes machen, weil sie Gottes Bilder sind" erläuterte Professor Dr. Jürgen Ebach das Bilderverbot im Alten Testament. Es ist Bestandteil des Dekalogs (2. Mose 20, 3-5). Dem reformierten Verständnis nach ist es ein eigenes Gebot, weshalb ganz auf Bilder verzichtet wird. In der lutherischen oder katholischen Kirche wird es dem Fremdgötterverbot zugeschlagen. In der orthodoxen Lesart ist das Bilderverbot zwar ein eigenes Gebot, wird aber verstanden als eine zu bewahrende Grenze in den Darstellungen Gottes. Weil Gott in Jesus Christus Mensch wurde, ist er abbildbar und als „Pantokrator“ (All- und Weltenherrscher) darstellbar, schreibt Radu Constantin Miron, Ökumenereferent der griechisch-orthodoxen Metropolie von Deutschland, in der Arbeitshilfe.
Beim Symposium berichteten Teilnehmende aus reformierten Gemeinden von völlig bildfreien Kirchräumen. Im Kontrast dazu standen die farbenfrohen Ikonen, die Mitglieder des Deutsch-Rumänischen Kulturkreises DIALOG mitgebracht und im Tagungsraum aufgestellt hatten.

In der orthodoxen Kirche gehört die Verehrung der Ikone zur Frömmigkeit


Sprachliche Bilder von Gott
Jürgen Ebach, emeritierter Professor für Exegese und Theologie des Alten Testaments und biblische Hermeneutik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, nutzte für seinen Vortrag über Bildbegriffe den Originaltext und verschiedene Übersetzungen, von Luther bis zur Bibel in gerechter Sprache. Gott zeigt sich in der Bibel in vielfältigen sprachlichen Bildern, als Herr, Burg, Schild, als Mutter, Quelle oder Glucke.
Es gibt eine Vielzahl von Bildern im Kopf, die sich einstellen, so Jürgen Ebach, und diese sind gewollt. Im Gegensatz dazu stehen die dreidimensionalen Bildwerke, Skulpturen zum Beispiel, die zu alttestamentlicher Zeit als Kultbilder verehrt wurden. Gott trat den Menschen vom Volk Israel aber auch sprichwörtlich vor Augen, etwa in der Wolken- und Feuersäule beim Auszug aus Ägypten (2. Mose 13). Gleichzeitig scheint die Gottesbildlichkeit in jedem einzelnen Menschen auf (1. Mose 5, 1). Daran haben die Väter und Mütter des Deutschen Grundgesetzes die Unantastbarkeit der Menschenwürde festgemacht. In der anschließenden Aussprache wurde Bezug genommen zur aktuellen Flüchtlingsdebatte.

Neue Sichtweisen stärken den Blick auf die eigene Identität
Was bereits in der Analyse des bildlichen Sprechens von Gott aufschien, wurde im Vortrag von Oberkirchenrat Dr. Martin Illert noch einmal vertieft. Das Verständnis von Gott unterscheidet sich stets abhängig von der historischen Situation, in der Theologie betrieben wird. Martin Illert führte als Beispiel die Sicht auf den reformatorischen Bildersturm an. Bilder wurden dämonisiert und daher zerstört. Es wundert den Theologen, dass die Vorgänge seit dem 19. Jahrhundert unverändert nacherzählt werden, statt dass eine historisch-kritische Beschäftigung mit den Ereignissen angestoßen würde.
Als Referent für Orthodoxie und allgemeine Ökumene bei der EKD hat Martin Illert miterleben können, wie Diskussionen zu neuen Ansichten führen. Im Sommer 2015 nahm er am bilateralen theologischen Dialog mit Vertretern des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel teil. Er berichtete beim Symposium, wie das gemeinsame theologische Nachdenken über das Bilderverständnis nicht nur die Position innerhalb der eigenen Kirche gestärkt hätte. Die Sicht auf die jeweils andere Delegation hätte auch die eigene Identität gestärkt.

"Arbeitshilfe" auch praktische Anleitung für Gottesdienstgestaltung
Martin Illert kennt diesen Effekt aus seiner Arbeit mit Stipendiatinnen und Stipendiaten. Teile der Ausbildung in einem anderen Land zu absolvieren, helfe, den Blick auf das Eigene zu schärfen. Ähnliches beabsichtigt auch der Freundeskreis orthodoxer, katholischer und evangelischer Christen PHILOXENIA, der beim Symposium zur Begegnung einlud.
Auch die Arbeitshilfe "Du sollst dir kein Bild machen – durch sein Bild bekennen wir die Erlösung" enthält nicht nur Hintergrundwissen, sondern auch konkrete Vorschläge für die Gottesdienstgestaltung. So können sich im Themenjahr „Bild und Bibel“ Gemeinden aller Konfessionen begegnen und in der Auseinandersetzung mit dem jeweils anderen erfahren, was sie selbst ausmacht.



Text: Kathrin Reinert
Foto(s): Kathrin Reinert