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Projektberichte

02.11.2015
750 Gläubige feierten die zentrale Reformationsfeier des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region im Altenberger Dom
Dr. Christoph Sigrist: „Wir Menschen von heute haben gelernt, Gott nicht in Skulpturen zu suchen. Wir suchen ihn in Sätzen, Worten und Bildern, die in unser Herz dringen“

Für eine gute Atmosphäre sorgte Rolf Domning gleich zu Beginn der Feierlichkeiten: Mit den Sätzen „Ich freue mich sehr, dass Sie alle gekommen sind trotz des wunderbaren Herbstwetters. Und ich verspreche Ihnen, dass Dr. Sigrist auch nicht so lange predigen wird, obwohl er ein Reformierter ist, und Sie danach noch ein paar Sonnenstrahlen genießen können“, begrüßte der Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region die Gäste im bis auf den letzten Platz besetzten Altenberger Dom. Etwa 750 Gottesdienstbesucherinnen und -besucher nahmen an der zentralen Reformationsfeier des Kirchenverbandes, die unter dem Thema „Reformation – Bild und Bibel“ stand, teil. Auch der WDR war gekommen und filmte für die Aktuelle Stunde.

Stadtsuperintendent Rolf Domning begrüßte herzlich die Gäste im „Bergischen Dom“ in Altenberg

Dr. Christoph Sigrist machte wahr, was Domning angekündigt hatte. Der Pfarrer am Grossmünster Zürich predigte eindringlich und brachte die Dinge, die er sagen wollte, auf den Punkt.

Pfarrer Dr. Christoph Sigrist auf der Kanzel des Altenberger Doms


Thema seiner Predigt war ein Wort des großen Schweizer Reformators Huldrych Zwingli: „Die Götzen sind bildnussen des Menschen, aber der Mensch ist ein bildnuss Gottes“. Sigrist bekannte: „Wenn ich in einem Kirchenraum wie in diesem wunderbaren Altenberger Dom stehe, dann wird es für meine Zürcher Seele immer eng. Nicht, dass es ein wunderbares Erlebnis wäre, hier zu sitzen, zu beten und Gott zu loben. Gewiss nicht. Doch ich bin in Zürich mit dem leeren Raum als Kirchenraum aufgewachsen.“

Zweites Gebot falsch übersetzt
Immer wieder kämen Besucherinnen und Besucher vor allem aus dem deutschsprachigen Raum in das Grossmünster und fragten ihn, ob die Kirche noch in Betrieb sei. Es fehle doch alles. „Sie brauchen Altar, Orgel und Kanzel konstitutiv für ihren Glauben.“ Es sei nützlich, einmal gründlicher über das zweite Gebot nachzudenken und die reformierte Perspektive nicht aus den Augen zu verlieren. Das zweite Gebot „Du sollst Dir kein Bild machen“ wurde aus Sicht des Schweizer Pfarrers erst falsch übersetzt und anschließend auch noch falsch interpretiert. In Wahrheit gehe es darum, dass der Mensch sich keine „Skulptur“ von etwas mache, das im Himmel, auf Erden, im Wasser oder unter dem Boden sei. Also, keine Vögel, Kälber, Stiere, Löwen und Ungeheuer solle man in Stein hauen oder ins Holz ritzen: „Das, genau das und nur das sagt das zweite Gebot: Macht euch keine Tierskulpturen zum Anbeten.“

„Gott war doch unendlich geheimnisvoller“
Konsequent verfolgt hätten diese Forderung der Islam und das Judentum, die es auf dem Gebiet der Ornamentik zu großer Meisterschaft gebracht hätten. In Israel hätten viele Tierskulpturen gestanden, die die Menschen angebetet hätten. Für die Propheten, so Sigrist, seien diese Skulpturen nichts als Götzen gewesen. Sie ärgerten sich darüber, dass die Leute so über Gott verfügen wollten und ihr Herz an eine Skulptur hängten. „Gott war doch unendlich geheimnisvoller, unendlich freier, und unendlich anders als ein aus Gold geschmiedetes Kalb. Und Gott ist doch wohl auch unendlich geheimnisvoller als der aus Gold gefertigte Auferstandene in unserem Kirchenraum“, fasst der Prediger zusammen. Heute denke man Gott als unverfügbar, frei, lebendig und immer mit der offenen Möglichkeit, anders zu sein oder zu werden. „Und das ist auch das Anliegen des zweiten Gebotes: Es bewahrt die Freiheit Gottes.“

Beim finalen Orgeltutti kam prächtige Stimmung auf - auch der Gast-Prediger interessierte sich für die virtuosen Töne und schaute zu den Orgelpfeifen empor, ebenso wie Superintendentin Andrea Vogel

Das helfende Handeln „drinnen“ im Kirchenraum
Danach schlug Sigrist den Bogen in die Gegenwart: „Der leere Raum wird so zum Raum, wo Menschen sich verwandeln und sich ändern und selber nun zu lebendigen Bildern Gottes werden. Durch Christus bekommen diese Bilder nun eine besondere Qualität. Weil Christus sich in den Armen gezeigt hat, bilden die Armen die lebendigen Bilder Gottes. Aus diesem Grund manifestiert sich die wahre Verehrung Christi im helfenden Handeln gegenüber den Armen.“ Die Gemeinde des Predigers in Zürich hat eine syrische Flüchtlingsfamilie aufgenommen. Das helfende Handeln, das „drinnen“ im Kirchenraum die wahre Verehrung Gottes ausmache, zeige sich „draußen“ als echte Wahrnehmung des Menschen. Die Verehrung im Kirchenraum und die Hilfe im Stadtraum seien zwei Seiten derselben Medaille, des einen wahren Gottesdienstes. „Wir Menschen von heute haben gelernt, Gott nicht in Skulpturen zu suchen. Wir suchen ihn in Sätzen, Worten und Bildern, die in unser Herz dringen.“

Reden von Gott vollzieht sich in Bildern
Wahr sei wohl, dass man mit abstrakten, dogmatischen Sätze nie und nimmer das Herz erreichen könne. Darum hätten Propheten und Psalmsänger in schönsten Sprach-Bildern von Gott gesprochen: „Von einem Vater oder einer Mutter sprachen sie, vom Hirten, von einem König, vom Licht, von einem zärtlich Geliebten auch.“ Nie hätte das zweite Gebot ihre bilderreiche Sprache beschränkt. „Das Reden von Gott vollzieht sich nur in Bildern und in Symbolen, nur so ist es reich", fuhr Sigrist fort. Und doch: Gott habe sich nie gescheut, ein Bild von sich zu machen. Wir Menschen seien nach seinem Bild geschaffen. Sigrist schloss: „Also, wir hier drinnen im Kirchenraum, und die dort draußen in den Notunterkünften. Nach seinem Bilde geschaffen - ein Bildnis Gottes.“

Hier die Predigt im Wortlaut

Im Anschluss an die Reformationsfeier sprach Landrat Dr. Hermann-Josef Tebroke ein Grußwort

Grußwort von Landrat Dr. Tebroke
Landrat Dr. Hermann-Josef Tebroke wies in seinem Grußwort darauf hin, dass die Zeit der Reformation auch eine Zeit der Medienrevolution gewesen sei. Er erinnerte an die Erfindung des Buchdruckes. Und es seien gerade heute die Bilder, die einen hohen Anspruch an Wahrnehmung und einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit hätten. Aus dem Satz „Bilder sind Götzen des Menschen, aber der Mensch ist ein Abbild Gottes“ schloss Tebroke, dass aus dem Gottesdienst zum Reformationstag ein starker Impuls ausgehe: „Ich verstehe uns hier als Ausgangspunkt für eine gemeinsame Verantwortung zum Nutzen der Welt.“

An der Feier nahmen unter anderem auch Stadtdechant Monsignore Robert Kleine, Kreisdechant Norbert Hoerter, Pfarrer Volker Weyres von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Köln (ACK), Pfarrer Dr. Elias Esber von der Antiochenisch-orthodoxen Gemeinde und Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes teil.

"Klanggewitter" von Andreas Meisner
Die Liturgie des Gottesdienstes leiteten Stadtsuperintendent Rolf Domning, Superintendentin Andrea Vogel und Dom-Pfarrerin Claudia Posche. Es spielte die Bläsergruppe West10Brass, und an der Orgel beeindruckte Kirchenmusikdirektor Andreas Meisner mit einem "Klanggewitter" im wahrsten Sinne des Wortes. Nach dem Gottesdienst traf man sich zum regen Gedankenaustausch im nahe gelegenen Martin-Luther-Haus.

Die Bläsergruppe West10Brass und Andreas Meisner an der Orgel begeisterten unter anderem mit der Vertonung von „Ein feste Burg“ von Václav Nelhýbel


Die Kollekte in Höhe von 3.187,19 Euro kommt der diakonischen Arbeit der Antiochenisch-orthodoxen Gemeinde des heiligen Dimitrios in Köln-Seeberg und der Flüchtlingsarbeit des Diakonischen Werkes Köln und Region zugute. In die orthodoxe Gemeinde kommen seit Monaten jede Woche etwa fünf bis sechs neue syrische Flüchtlingsfamilien oder melden sich bei den Gemeindeverantwortlichen. Sie erhalten durch die Gemeinde Kleidung, Zuwendung und wenn es geht auch psychologische Unterstützung. Das Diakonische Werk kümmert sich mit seinen Fachdiensten zu Migration und Flüchtlingsberatung um die vielfältigen Belange der Flüchtlinge, die nach Köln und in den Rheinisch-Bergischen Kreis kommen - und weitet seine Angebote zurzeit noch aus.



Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Knapic/Rahmann