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Projektberichte

14.01.2016
Evangelisch-Katholischer Arbeitskreis: „Stärkere Resonanz“ für Perspektiven des Papstes gefordert
Als Seelsorger weise Franziskus Menschen einen „praktischen Weg für ein Handeln in der Zeit der Theologen“

„Sprechen Sie mit dem Herrn, und schreiten Sie voran!“, mit diesem Papst-Appell ist die jüngste Erklärung des Evangelisch-Katholischen Arbeitskreises in Köln überschrieben. Anlass für das zweiseitige Statement war der Besuch von Papst Franziskus in der evangelisch-lutherischen Kirche in Rom im November 2015. Eine weitere Überschrift – auch sie ein Papst-Zitat – weist auf eine der Kernaussagen des Papiers hin: „Ein Glaube, eine Taufe, ein Herr“.

Martin Bock, Hannelore Bartscherer und Franz-Josef-Bertram (v.li.) im Gespräch über die jüngste Erklärung des Evangelisch-Katholischen Arbeitskreises

Der Arbeitskreis ist sich sicher, der Papst-Besuch in Rom habe „eine stärkere Resonanz verdient“. Sein Besuch habe deutlich gemacht, dass ihm, entgegen landläufiger Berichterstattung, „die klassische Ökumene“ ein wesentliches Anliegen sei. Ökumene versteht der Arbeitskreis als die Weggemeinschaft der durch die Kirchenspaltungen getrennten Kirchen.

„Stunde der versöhnten Verschiedenheit“
Franziskus habe von der „Stunde der versöhnten Verschiedenheit“ gesprochen. Der Arbeitskreis erkennt darin einen Beleg für seinen Ansatz, sich den bestehenden dogmatischen Unterschieden zu nähern, in einzelnen Fragen gar um eine Annäherung „zu ringen“. Der Abendmahlskelch als Gastgeschenk an die evangelisch-lutherische Kirche sei ein „unmissverständliches Kennzeichen für die Ernsthaftigkeit des päpstlichen Anliegens“.

Das Gewissen befragen
Auch wenn der Papst einer endgültigen theologischen Auseinandersetzung nicht vorgreifen wolle, etwa in der Frage nach den Schritten zu einer Abendmahlsgemeinschaft, weise er doch „als Seelsorger den Menschen einen praktischen Weg für ein Handeln in der Zeit der Theologen“, heißt es in der Erklärung. Solange Theologen noch diskutierten, dürfe man sein Gewissen befragen und selbst entscheiden. Zum Leben gehöre schließlich mehr als dogmatische Erklärungen und deren Interpretationen.

Das Gespräch ist eröffnet
„Der Papst sieht die Hilfe, die die Menschen brauchen“, nimmt Hannelore Bartscherer, Vorsitzende des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, Stellung zu dem Schreiben. Franziskus „mache Türen auf“, wenn er dem Verstand des Menschen und der eigenen Gewissensentscheidung einen ansehnlichen Raum gebe. „Es ist typisch für diesen Papst, wie er eins der größten und schwierigsten Kapitel zwischen den Christen aufgenommen hat, mit einer großen Glaubwürdigkeit, aber auch mit Leichtigkeit!“, sagt auch Dr. Martin Bock, Leiter der Kölner Melanchthon-Akademie und Ökumenebeauftragter für die evangelische Kirche in Köln und der Region. Franziskus habe die Theologie aus den Büchern herausgelöst und „hinein ins Leben gebracht“, so Bock. Er habe ein Gespräch eröffnet und ermutige Christinnen und Christen, an diesem teilzunehmen.

Nicht auf den „Sankt-Nimmerleinstag“ warten
„Der Papst hat Mut, denkt nach, handelt selbst“ – auf diese Kurzformel bringt es Franz-Josef-Bertram, katholischer Vorsitzender des Evangelisch-Katholischen Arbeitskreises und Mitunterzeichner der Erklärung. Bereits der Besuch des Papstes in der lutherischen Kirche sei für ihn ein „starkes Zeichen“ gewesen. „Manchmal fragen wir zu häufig, ist das denn erlaubt?“, erklärt der katholische Laie. Für ihn bedeuten die Papst-Worte eine Aufforderung an die Theologinnen und Theologen, die Lehre der katholischen Kirche zu überprüfen. Was möglich sei, müsse getan werden, und dabei dürfe man nicht auf den „Sankt-Nimmerleinstag“ warten, so Bertram. Zusammen mit anderen Gläubigen aus seiner Gemeinde besuche er seit Jahren evangelische Gottesdienste an Karfreitag und nehme regelmäßig am Abendmahl teil. „Die Offiziellen machen das nicht. Das zeigt uns doch, dass wir noch weiter auf diesem Weg gehen müssen“, meint Bertram.

Fragen stellen und miteinander sprechen
Auch der evangelische Theologe bedauert, dass es keine offizielle eucharistische Gastgemeinschaft zwischen Katholiken und Protestanten gibt. Im eucharistischen Glauben gehe es um die „eine Wegzehrung“, so Bock, wie sie in der Emmauserzählung (Lk 24) erinnert werde. In Emmaus hatte eine Reisegemeinschaft, bestehend aus Jüngern und anderen, zu Zeiten Jesu Rast gemacht. Beim Abendmahl, während des Brotbrechens, nach einem gemeinsamen Weg voller Fragen, Zweifel und Gesprächen über der Schrift hätten sie den auferstandenen Jesus erkannt. Bock sieht eine Parallele in dem Emmaus-Motiv und den Worten des Papstes: Wie einst die Jünger unterwegs gewesen seien, habe auch Franziskus etwas auf den Weg gebracht. Bock: „Fragen stellen und miteinander sprechen – in der Gegenwart des Auferstandenen – das war schon immer eine ‚Methode‘ der Ökumene“.

Die Kirchen sollten mehr Phantasie entwickeln
Auch wenn man derzeit keine dezidierte Auseinandersetzung mit historischen Problemstellungen vom Papst erwarten dürfe, nehme er die christlichen Kirchen dort ernst, wo es um die Taufe gehe, wo man das „Wort Gottes ausschöpfe“ und sich in reformatorischer Unmittelbarkeit auf Christus beziehe, sagt Bock. „Meine Erwartung an die römisch-katholische Kirche ist, dass sich aus dieser Weggemeinschaft ein konkreter Weg eröffnet, besonders für konfessionsverbindende Ehen und Familien.“ Die Kirchen sollten mehr Phantasie dafür entwickeln, was noch geschehen müsse, damit die gegenseitige Teilnahme am Abendmahl selbstverständlich werde.

Botschaft des Papstes „in die Breite zu bringen“
„Die Kirchen werden leerer, aber es kommen sehr selbstverständlich konfessionsverschiedene Menschen miteinander in die Gottesdienste“, so Bartscherer. „In den Gemeinden gibt es eine Atmosphäre des Willkommens und der Gemeinschaft bis hin zur Eucharistie, das ist die Realität.“ Man lebe in einer Zeit, die der Reformationszeit sehr ähnlich sei, glaubt die Vorsitzende des Katholikenausschusses, deshalb müsse man auf die Signale hören, die von Papst Franziskus ausgesendet würden. Sein stärkstes Signal: „Nehmt euer Gewissen, eure Verantwortung wahr!“ Und da sich Kirche immer von unten her verändert habe, wolle man die Gemeinden jetzt auffordern, die Perspektive des Papstes „in die Breite“ zu tragen.

Miteinander die Welt verändern
Der Arbeitskreis will den 13. Kölner Ökumenetag zu Pfingsten 2016 unter dem Motto „Miteinander die Welt verändern“, nutzen, das „pastorale Anliegen einer Reformation der Kirchen für die Welt“ weiter voranzutreiben.

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Die Erklärung im Wortlaut können Sie hier nachlesen.



Text: Angelika Knapic
Foto(s): Angelika Knapic