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Projektberichte

23.10.2016
Brühl: "Freiheit" heißt das zentrale Thema im Reformationsjahr
Luthers Botschaften ins Heute übersetzt

„Wir wollen zum Reformationsjubiläum keine musealen Veranstaltungen mit Blick auf das Mittelalter bieten, sondern wie Luther die Botschaft des Evangeliums so vermitteln, dass es Bezug zu unserer Zeit heute hat“, betonte die Pfarrerin an der Christuskirche, Renate Gerhard, bei der Vorstellung des Programms zum Lutherjahr in der Evangelischen Kirchengemeinde Brühl.

Sie präsentierten das Brühler Programm für das Reformationsjubiläum: Pfarrerin Renate Gerhard, Vikarin Caroline Schnabel, Kantorin Marion Köhler, Pfarrer i.R. Wolfgang Dorp und Pfarrer Stefan Jansen-Haß und stellten sich dazu passend unter die Luther-Rose am Gemeindehaus.

Als Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen zur Lage der Kirche veröffentlichte, ging mit der Reformation auch die Übersetzung der Bibel aus dem Lateinischen ins Deutsche einher. „Aber wie das Lateinische damals, ist uns heute das Lutherdeutsch unverständlich“, gibt die Pfarrerin zu bedenken. Sie hat sich bereits die neue Lutherbibelausgabe besorgt und möchte nicht nur mit ihren Konfirmanden die Sprache in den verschiedenen Ausgaben vergleichen. „Ein paar kräftige Ausdrücke, wie sie wieder in die neue Bibel zurück aufgenommen wurden, können nicht schaden“, meint sie augenzwinkernd.

Befreiung von zu vielen Ansprüchen
Eine Botschaft Luthers zieht sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltungen: die Abkehr von der Werkgerechtigkeit. Nach mittlerweile nicht nur protestantischem Verständnis ist Gott den Menschen gnädig, weil sie glauben, und nicht deshalb, weil sie großartige Werke tun. „Ihr dürft sein, wie Ihr seid: Mit dieser Haltung wollen wir von den Überansprüchen einer leistungsorientierten Gesellschaft befreien“, erklärt Gerhard. Das Motto aller Angebote lautet folgerichtig: „FREI.RAUM.LEBEN“.

Kirche als Erlebnisraum
Die Kirche soll dabei zum Erlebnisraum werden, wobei dem schon vorhandenen „FREI-Raum“ in der Christuskirche am Mayersweg zu den Öffnungszeiten dienstags bis freitags von 10 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr eine besondere Bedeutung zukommt: So werden im Lutherjahr jede Woche Kärtchen mit Fragen ausliegen. „Wenn Du alle Freiheit der Welt hättest, was würdest Du als Erstes tun?“, werden zum Beispiel Jugendliche gefragt. Oder es geht um die sensible Frage: „Soll der Mensch über den Zeitpunkt seines Lebensendes selbst bestimmen dürfen?“
Wer mag, schreibt seine Gedanken dazu auf und hängt sie an eine Pinnwand. Oder nimmt sein Kärtchen einfach mit und kommt vielleicht später mit jemandem darüber ins Gespräch – gern auch mit Menschen der Brühler Gemeinde.

Familiengottesdienst zum Auftakt
Die „FREI-Räume“ werden in der Christuskirche mit einem Auftakt-Familiengottesdienst mit Tauferinnerung eröffnet, der am Sonntag, 30. Oktober, 10.15 Uhr, beginnt. (In dem Gottesdienst wird übrigens Martin Luther persönlich erwartet!) Die Kantorei unter Leitung von Marion Köhler und ein Posaunenchor werden einen Gottesdienst am Reformationstag mit vielen alten und neuen Liedern am Montag, 31. Oktober, 19 Uhr, in der Johanneskirche, Rodderweg 68, musikalisch gestalten.

„Wir Christen müssen uns zusammenraufen“
„Geschwister auf getrennten Wegen“ ist der bildliche Titel eines ökumenischen Gottesdienstes, den Stefan Jansen-Haß. Pfarrer in Brühl-Vochem, Kierberg, Heide und Köln-Meschenich, am Buß- und Bettag, Mittwoch, 16. November, 19 Uhr, in der Meschenicher Thomaskirche liturgisch leiten wird. Der Ort ist selbst symbolisch. „Die Thomaskirche ist geografisch die Schnittmenge von katholischen und evangelischen Pfarrbezirken,“ so Jansen-Haß. „Die Reformation hat die Christen wahrscheinlich vor einem Abgrund bewahrt, sie war notwendig, aber es geht heute nicht anders, als dass sich evangelische und katholische Christen zusammenraufen müssen“, sagt er.

„Feierabend mit Gott“
Stille ist angesagt beim „Feierabend mit Gott“. Das Angebot, jeden letzten Freitag im Monat zu einem Bibelimpuls bei Kerzenschein in der Christuskirche zusammenzukommen, gibt es bereits seit einigen Monaten. In der Adventszeit wird dazu ein historischer Adventskranz auf einem hölzernen Wagenrad mit 24 Kerzen – für jeden Tag der Adventszeit eine! – in der Kapelle aufgestellt, frei nach Johann Hinrich Wichern, der 1839 den ersten Adventskranz für seine Heimkinder gebastelt hat.

Lesung mit 10 (!) Autoren
Eine ungewöhnliche Autorenlesung mit Musik und Gespräch steht am Freitag, 4. November, um 19 Uhr bevor. Der Eintritt in die Christuskirche ist frei, wenn die Sieger des Wettbewerbs Politische Lyrik unter der Überschrift „Du sollst kein unbeteiligter Zuschauer sein“ aus ihren Beiträgen zur Anthologie lesen. Verleger und Moderator Alfred Büngen wird allerdings für Nicoleta Craita Ten'o lesen müssen, denn die aus Rumänien stammende 33-jährige Autorin verlor aufgrund eines traumatischen Erlebnisses vor 20 Jahren ihre Sprache.
Informationen mit allen Autorennamen finden Sie hier.

In Planung für 2017
Einen humorvollen theatralischen Blick auf das Leben Martin Luthers will das N.N. Theater/Neue Volksbühne Köln werfen. Das Stück „Ich fürchte nichts“, so die Planung, soll am Freitag, 2. Juni, im Dorothea-Tanning-Saal des Max-Ernst-Museums oder im Schlosspark aufgeführt werden. Mit Pantomime, Ausdruckstanz und dem Instrumentalduo „Zia“ beginnt am Freitag, 13. Oktober, 19 Uhr, eine „Nacht der Psalmen“ in der Christuskirche.

„Immer Ärger mit Martin Luther“
Und in zwei Orgelkonzerten –„Maartin“ und „Immer Ärger mit Martin Luther“ – möchte Kantorin Marion Köhler bei Kindern Freude an den alten Melodien von Luther-Liedern wecken. Ein evangelisch-katholisches Chorprojekt und Konzerte von Musikern, bei denen die Psalmen im Mittelpunkt stehen, sollen ebenfalls das Programm zum Reformationsjubiläum im Lutherjahr 2017 fortsetzen.



Text: Ulrike Weinert
Foto(s): Ulrike Weinert