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Projektberichte

11.06.2017
6. Kölner Ökumenischer Brückenweg mit rund 300 Besuchern
Psalmen begleiteten den Brückenweg als Lebenslieder

„Was tut das gut, dass Kirche auf die Straße geht“, stellte Monsignore Rainer Fischer, der Vorsitzende der Abeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Köln (ACK), in seiner Begrüßung vor der CRUX-Kirche St. Johann Baptist in der Südstadt fest. Zum sechsten Mal haben sich rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Pfingstmontag gemeinsam auf den Weg durch die Straßen und über zwei Brücken Kölns gemacht. „Lebenslieder – Mit Psalmen unterwegs“ lautete dieses Mal das Motto.

Diakon Jens Freiwald (v. li.), Stadtdechant Msgr. Robert Kleine, Stadtsuperintendent Rolf Domning, Pastor Albrecht Adam

Höhepunkt des Projekts „Mit Psalmen Brücken bauen“
Der 6. Kölner Ökumenische Brückenweg bildete den Abschluss und Höhepunkt des von der ACK in Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum initiierten Projekts „Mit Psalmen Brücken bauen“. Bereits mit dessen Startschuss 2016 hatten sich viele Christen, aber auch Juden und Muslime in Köln und Region innerhalb vieler verschiedener Angebote „auf den Weg gemacht“ und sich mit den Themen der Psalmen auseinandergesetzt.

Psalmen sind Lebenslieder
Die 150 Gebete und Lieder des Psalmenbuches bildeten alle Lagen und Stimmungen des Lebens ab, erklärte Fischer. Noch heute seien sie „ein gemeinsamer Schatz für das Leben und den Glauben, für den Gottesdienst und das persönliche Beten“. Lebenslieder, mit denen geklagt, geflucht, gebeten, gelobt, gedankt werde. So waren fünf der sechs Stationen des in der Minoritenkirche endenden Brückenweges jeweils einem dieser Aspekte gewidmet.

„Operationen am eigenen Herzen und am Herzen der Kirche“
Zum Auftakt vor dem CRUX, dem Jugendpastoralen Zentrum der Katholischen Kirche in Köln, führte Dr. Martin Bock, Leiter der Melanchthon-Akademie, in das Verhältnis Martin Luthers zu den Psalmen ein. Diese hätten ihn und andere Reformatoren herausgefordert, „die Bibel neu und anders zu lesen“. Luther habe Köln bei seinem einzigen Besuch 1512 überhaupt nicht gefallen. Doch der ihm von den hiesigen Augustinern erteilte Rat, in Zukunft die Konferenzen zu meiden und sich dem Studium zu widmen, sei als wegweisend einzuschätzen. Luthers Auseinandersetzung mit den Psalmen, denen er auch spezielle Vorlesungen widmete, seien „Operationen am eigenen Herzen und am Herzen der Kirche“ gewesen.

Ohne Psalmen ein anderer Luther
Ohne die Psalmen, versicherte Bock, wäre Luther ein anderer geworden. Ohne Psalmen hätten die Reformatoren nicht so von Gott sprechen können. „Sie haben in den Psalmen Gottes Herzschlag verspürt.“ Zwar seien nicht alle Kirchen reformiert, aber alle seien von der Reformation berührt. Bock lud ein, auch auf dem Brückenweg gemeinsam den Herzschlag Gottes zu suchen. „Kirche muss gehen, damit sie bleibt!“, ermutigte Fischer die Teilnehmenden erfolgreich, auf dem sonnenbeschienenen Weg miteinander ins Gespräch zu kommen. Und an Orten der Stille miteinander zu schweigen.

Klagen – und Dankesworte beklagen
In der Evangelisch-Freikirchlichen Friedenskirche (Baptisten mitten in Köln) erwartete die Teilnehmenden ein Teppich aus Stimmen und Klängen. Er war dicht gewebt aus ganz persönlichen wie allgemeinen Sorgen, Klagen – und Dankesworten. Beklagt wurde die ungerechte Verteilung der Ressourcen und des Vermögens weltweit. Ebenso die Vermüllung der Meere, verbunden mit der Frage nach dem Warum der Selbstzerstörung der Menschheit. In rascher Folge bedauerten Stimmen etwa das alltägliche Konkurrenzdenken, den Druck, stets mithalten zu müssen. Ängste vor Klimawandel und Erderwärmung wurden geäußert und gefragt: „Wann herrscht endlich Religionsfreiheit?“

Auch Baptisten hätten Grund zu klagen
Die Baptisten in Köln hätten schon vieles zu beklagen, so Pastorin Silke Tosch. Wer wisse schon, dass die Entstehung der Baptisten eine langfristige Folge der Reformation sei. „Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit haben Baptisten weiterentwickelt“, betonte Tosch. „Wer weiß denn schon, dass für uns das Reformationsjubiläum nicht nur Jubel bedeutet? Dass wir unter den großen Kirchen zu leiden hatten? Oh ja, wir können viel klagen.“ Im Klagepsalm gehe die Klage nicht ins Leere. Der Betende wende sich direkt an Gott. „Aber darf man Gott anklagen?“ Der Psalmbeter wisse, dass er einen großen Gott habe. „Ihm kann man das zumuten. Gott erträgt die Klagen nicht nur. Er trägt mich. Aber wir wollen nicht nur klagen. Wir wollen Gott loben.“

Fluchpsalmen in der Trinitatiskirche
Dass sich auch Flüche in den Psalmen finden, wurde an der Station Trinitatiskirche verdeutlicht. „Fluchen ist wie Trommelschläge“, leitete Pfarrerin Ulrike Graupner aus der Evangelischen Clarenbach-Kirchengemeinde Köln-Braunsfeld ein. Gemeinsam mit Dr. Albrecht Adam, Pastor der Evangelisch-lutherischen St. Johannis-Gemeinde Köln, las Graupner Fluchworte, die Udo Peter Dung auf dem Schlagzeug interpretierte. Darunter die Psalmen „In Schmach und Schande sollen alle fallen, die mir nach dem Leben trachten“ (PS 35,4) und „Oh Gott, zerbrich ihnen die Zähne im Mund“ (PS 58,7). Später betätigten sich auch Besuchende an verschiedenen Schlagwerken. Mit den Fluchworten lege man die Vergeltung in die Hände Gottes, sagte Graupner. „Fluchen holt mich aus der Opferrolle heraus.“ Fluchen habe in bestimmten Zeiten sein Recht, „aber es sollte nicht das letzte Wort sein“, forderte die Pfarrerin. Adam ergänzte, dass im Neuen Testament wenig vom Fluchen zu lesen sei. „Was für eine Befreiung, dass Jesus den Fluch von uns genommen hat“, schloss Graupner. „Wir sind von der Dunkelheit befreit. Gott sei Dank und verdammt noch mal!“

Ökumenisch und interreligiös
Nach der 4. Station („bitten“) in der Griechisch-Orthodoxen Kirche im rechtsrheinischen Deutz überquerte die große Schar der Teilnehmenden erneut den Rhein und begab sich auf den Heinrich-Böll-Platz. Den 1986 zwischen Museum Ludwig und Hauptbahnhof, Domchor und Rheingarten eingeweihten Platz hat der israelische Künstler Dani Karavan insbesondere in Zusammenarbeit mit den Architekten des „Ludwig“- und Philharmonie-Komplexes, Peter Busmann und Godfrid Haberer, gestaltet. Betitelt ist das Kunstwerk mit „Ma´alot – Environment aus Granit, Gusseisen, Ziegelsteinen, Eisen und Schienen, Gras und Bäumen“. Der hebräische Begriff „Ma´alot“ heißt übersetzt Stufe und weist auch hin auf die „Stufenlieder“ bezeichnete Gruppe der Psalmen 124-130. An der Station „Ma´alot“ widmete sich der Brückenweg mit einer Performance und Worten dem Thema „loben“. Neben Natalia Verzhbovska, Rabbinerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde Köln „Gescher LaMassoret“, sprach der Architekt Busmann.



Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich