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Projektberichte

19.05.2017
Großes Fest der rheinischen Gehörlosengemeinden
180 Menschen feierten in der Kartäuserkirche in der Kölner Südstadt

"Zeugnistag" in der Kartäuserkirche. Eines der bekanntesten Lieder von Reinhard Mey stand im Mittelpunkt des Gottesdienstes beim "Großen Fest des Verbandes Evangelischer Gehörloser im Rheinland".

Das Fest stand unter dem Motto "500 Jahre Evangelisch". 180 Teilnehmende aus 20 evangelischen Gehörlosengemeinden des Rheinlandes nahmen an den Feierlichkeiten und am Gottesdienst in der Kartäuserkirche teil.

Das Fest stand unter dem Motto "500 Jahre Evangelisch". 180 Teilnehmende aus 20 evangelischen Gehörlosengemeinden des Rheinlandes beschäftigten sich einen Tag lang im Haus der Evangelischen Kirche mit dem Reformationsjubiläum. In einem Workshop studierten die Teilnehmenden eine szenische Fassung des Songs "Zeugnistages" ein, die sie anschließend im Gottesdienst aufführten.

Ansporn, gut in der Schule zu sein
Das Lied handelt von einem Schüler, der ein Zeugnis mit ziemlich schlechten Noten bekommt. Das verheimlicht er vor seinen Eltern und fälscht deren Unterschrift. Der Täuschungsversuch fällt auf, doch als der Schuldirektor die Eltern mit der Fälschung konfrontiert, schlagen die sich auf die Seite ihres Sohnes und erklären, dass die Unterschriften von ihnen stammen. Diese Geschichte nahm Dieter Schwirschke, Pfarrer der Gehörlosengemeinde, in seiner Predigt auf. "Viele Gehörlose wurden von ihren Eltern angespornt, gut in der Schule zu sein und auch so gut wie möglich zu lernen, von den Lippen abzulesen. Ich kann die Eltern sehr gut verstehen. Das gilt natürlich auch für die gehörlosen Eltern mit hörenden Kindern, die stolz sind, wenn ihre Töchter und Söhne gute Berufe ergreifen."

Gott ist ein Liebender
In der szenischen Fassung des "Zeugnistages" spielte ein Mädchen die Hauptrolle. Das habe, so Schwirschke, schlicht Angst vor Strafe und Liebesentzug. Deshalb habe es zur Notlösung "Fälschung" gegriffen. Die Eltern jedoch hätten nicht gewollt, dass der Direktor sich als Richter aufspiele und ihr Kind "klein" mache. "Sie haben ihr Kind geschützt. Das wird ihnen das Kind nie vergessen." Was das mit Luther zu tun habe? "Luther hat sich oft ähnlich gefühlt. Er hatte anfangs große Angst vor Gott. Der sehe alles, was man falsch mache." Luther habe gedacht, dass Gott böse auf ihn sei und deshalb strafen werde. Es habe lange gedauert, bis der Reformator erkannt habe, dass Gott ein liebender sei.

Eine gut besuchte Veranstaltung
"Gott ist für uns wie die Eltern für das Mädchen in dem Lied. Wir müssen keine Angst haben." Pfarrerin Dagmar Schwirschke übersetzte die Predigt ihres Mannes aus der Gebärdensprache für die Hörenden. Zu den Besucherinnen und Besuchern des Gottesdienstes zählten auch Oberkirchenrätin Barbara Rudolph und zwei Superintendentinnen: Andrea Vogel aus dem Kirchenkreis Köln-Rechtsrheinisch, beim Evangelischen Kirchenverband Köln und Region zuständig für die Gehörlosenseelsorge, sowie Almut van Niekerk aus dem Kirchenkreis „An Sieg und Rhein“. Auch Mathias Bonhoeffer, Pfarrer an der Kartäuserkirche, nahm an dem Gottesdienst teil.

Ein vielseitiges Programm
Seit 2011 hat die Evangelische Gehörlosengemeinde Köln ihr Zuhause an der Kartäuserkirche.
Gehörlose aus den Gemeinden von Saarbrücken bis Wesel, von Aachen bis Essen, waren der Einladung nach Köln gefolgt. In acht Kleingruppen hatten sie am Vormittag verschiedene Aspekte der Reformation vor allem kreativ betrachtet. Ein Gebärdenchor hatte das Lied "Ein feste Burg" einstudiert und war damit am Nachmittag im Gottesdienst aufgetreten. Die Lutherrose, das Siegel des Reformators, war Anlass in einer weiteren Kleingruppe, ein jeweils eigenes Siegel für die Teilnehmenden zu entwerfen. Stationen auf Luthers Lebensweg bildeten die Grundlage für eine äußerst lebhafte Diskussion über theologische Fragen. Die Jugendlichen folgten spielerisch den "Spuren von Mister L." Eine andere Gruppe gestaltete künstlerisch Porträts von Martin Luther und Katharina von Bora. Die waren während des Gottesdienstes an den Wänden der Kartäuserkirche zu sehen.

Positives Fazit
Pfarrer Schwirschke freute sich über das gelungene Fest: "Am Abend machten sich die Teilnehmenden hoch zufrieden auf den Heimweg, beschenkt unter anderem mit einem an diesem Tag gebackenen Lutherkeks, aber beschenkt auch mit ganz vielen Eindrücken eines fröhlichen Festes in einer lebendigen Gemeinschaft.“



Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann