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Projektberichte

26.08.2017
Luther predigt in Bergisch Gladbach
Der Prädikant Jona Luther ist ein Nachfahre von Jacob Luther, einem Bruder Martin Luthers

„Man kann nur auf das stolz sein, was man selbst aus seinem Leben gemacht hat! Dafür, dass ich ein Nachfahre aus Martin Luthers Familie bin, schenkt mir heute keiner einen Cent“, erklärt Jona Luther, seit acht Jahren Prädikant in der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach und in einer Seitenlinie mit dem großen Reformator verwandt. Während in den Linien von Martin Luthers Kindern der Name des Reformators im 18. Jahrhundert ausstarb, findet er sich in den Seitenlinien bis heute.

„Ich gehe dahin, wohin ich gerufen werde“, sagt Jona Luther, Prädikant in der evangelischen Heilig-Geist-Kirche

Jona Luther kann seine Familie bis zu seinem Vorfahren Jacob Luther (1490-1571), dem jüngsten Bruder des berühmten Wittenberger Mönchs, zurückverfolgen. Rund 2800 direkte und indirekte Luthernachkommen gibt es heute. Einige davon pflegen ihre verwandtschaftlichen Beziehungen bei regelmäßigen Treffen der Lutheriden, eine 1926 in Eisenach gegründete Vereinigung mit ca. 200 Mitgliedern aus aller Welt. „An den Treffen der Lutheriden nehme ich nicht teil“, so Luther. „Warum soll man sich treffen, um zu feiern, dass es mal einen Vorfahren gab, der bedeutend war?“, fragt er.

Das evangelische Pfarrhaus
In seiner Familie gibt es bereits einige Theologen: Sein Vater ist Pfarrer, der Großvater war es auch, ebenso zwei Onkel und zwei Cousins. Eine Schwester von Jona Luther arbeitet als Religionspädagogin. Er selbst wurde 2009 zum Prädikanten in seiner Bergisch Gladbacher Gemeinde ordiniert. „Ich komme aus einem klassischen Pfarrhaus mit fünf Kindern“, erinnert er sich. Mit seiner aus Südkorea stammenden Frau Kyoung-Hui hat er ebenfalls fünf Kinder. Das evangelische Pfarrhaus als „Institution“ habe Martin Luther, der sechs Kinder hatte, gegründet und vorgelebt, sagt er.

Gelernter Versicherungsfachwirt
Dennoch habe er sich als junger Mann im Alter von etwa 18 Jahren von der Kirche abgewandt. Das sei nicht aus Protest gegen den Vater geschehen, erklärt Luther. „Die christliche Kirche hat mich damals nicht angesprochen. Ich habe mich stattdessen mit östlichen Philosophien beschäftigt und mich im gesamten religiösen Spektrum breiter informiert“. Der gelernte Versicherungsfachwirt kam in Kaufbeuren im Allgäu zur Welt und wuchs in Nürnberg, Gefrees, Südafrika und München auf, wo er vor 25 Jahren seine Frau kennenlernte. Durch sie ist er wieder in Kontakt zur Kirche gekommen, da er sie und ihre Kinder regelmäßig in die koreanische Gemeinde begleitet hatte.

Da, wo nicht alles funktioniert
„Von meinem Vater, der in der oberfränkischen Gemeinde in Gefrees als Pfarrer vieles aufgebaut hat, habe ich gelernt, dass es gut ist, dahin zu gehen, wo noch nicht alles funktioniert“, erzählt er. Das schaffe Handlungsspielraum und sei eine größere Herausforderung. „Ich gehe dahin, wohin ich gerufen werde. So war es in meinem Beruf, als mein Münchner Chef, der nach Köln wechselte, mich bat, ihm zu folgen, und so war es auch, als mich der frühere Pfarrer meiner Kirchengemeinde, Klaus Schneider, fragte, ob ich mir vorstellen könnte, die Prädikantenausbildung zu machen.“

Vorfahre ist Vorbild
Dass er oft auf seinen berühmten Nachnamen angesprochen wird, stört ihn nicht. Manchmal hätten sich interessante Gespräche daraus ergeben, berichtet er. Das 500. Reformationsjubiläum habe für ihn persönlich nichts verändert. „Mit Martin Luther als Person beschäftige ich mich sowieso schon lange und nach Wittenberg fahren wir lieber mal, wenn der Trubel vorbei ist“, meint er. Sein Vorfahre sei für ihn insoweit ein Vorbild, dass er den Mut hatte, sich gegen die beiden großen Institutionen Kaiser und Kirche zu stellen und seine Meinung kund zu tun, wohlwissend, dass er sich damit in Lebensgefahr begab.

Martin Luther – erster Medienstar der Welt
Luther habe sich mit allem, was er sagte und schrieb auf die Schrift und das Wort Gottes berufen. Der Reformator sei der erste Medienstar der Welt gewesen, behauptet sein Nachfahre. Sein Wort habe sich durch den etwa 30 Jahre vor Luthers Geburt entwickelten Buchdruck rasend schnell verbreitet. Und die berühmten Cranach-Bilder trugen ebenfalls zu seiner Popularität bei. „Luther hat keine Armee angeführt, sondern er hat die Welt verändert, nur durch das, was er gesagt und geschrieben hat“, stellt er fest.

Ihm fehlte die liberale Einstellung
„Luther hat öffentlich gesagt, woran er glaubt, das galt für ihn solange, bis er durch die Bibel oder die Vernunft widerlegt wurde. Es ging nicht um seine persönliche Meinung“, erklärt der 56-Jährige. „Aber wenn jemand durch das, was Luther predigte, nicht dahin gelangte, wo er selbst theologisch stand, hat er seine Macht genutzt, diese Menschen auszuschalten. Ihm fehlte die liberale Einstellung gegenüber Andersdenkenden und Andersgläubigen.“ Luther sei ein Kind seiner Zeit gewesen, ein einfacher Mönch in seinem ganz persönlichen Kampf um den gnädigen Gott. Luther, der politisch nicht gebildet war, sei sich der politischen und gesellschaftlichen Tragweite seiner Worte sicher nicht immer bewusst gewesen, vermutet der Predigthelfer.

„Wenn Protestanten sich selbst feiern“
Für ihn sei Martin Luthers Wort nicht heilig und unantastbar, stellt der ehemalige Presbyter fest. „Luther hat auch manches gesagt und geschrieben, was ich nicht vertreten kann. Ich muss mich mit seinen Worten schon kritisch auseinandersetzen. Wenn Menschen dies im Rahmen des Jubiläumsjahres tun, finde ich das gut. Wenn sich Protestanten aber nur selbst feiern, reicht mir das nicht“, so der Luthernachfahre.

30 bis 40 Stunden Vorbereitung
Sechs Mal im Jahr steht Jona Luther nun selbst als Prediger auf der Kanzel. Das reicht ihm, denn für seine Vorbereitungen für den Gottesdienst benötigt er jeweils 30 bis 40 Stunden. „Im Gegensatz zu Pfarrern habe ich ja keine Theologieausbildung und muss mir zum vorgegebenen Predigttext erstmal den theologischen und historischen Hintergrund erarbeiten – das ist jedes Mal wie ein Mini-Theologiestudium“, erklärt er. Bis kurz vor dem Gottesdienst gibt es dann auch noch Änderungen am Text.

„Diesen Zeitaufwand kann ein Pfarrer natürlich nicht leisten. Aber ich werde ja nicht dazu gezwungen. Ich habe auf diese Weise sechs Mal im Jahr die Möglichkeit, mich intensiv mit einer Bibelstelle auseinanderzusetzen und damit in meinem Glauben weiter zu kommen. Ich persönlich gebe nicht nur der Gemeinde etwas, sondern ich gewinne dadurch ganz viel“, weiß er.



Text: Susanne Hermanns
Foto(s): Susanne Hermanns