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Projektberichte

31.10.2017
Alles was Odem hat, lobe den Herrn!
Festakt in der Kölner Philharmonie zu 500 Jahre Reformation

Die Schlangen an den Abendkassen waren lang. Am Vorabend des fünfhundertsten Reformationsjubiläums hatten der Evangelische Kirchenverband Köln und Region und die Stadt Köln gemeinsam zu einem offiziellen Festakt in die Kölner Philharmonie eingeladen und viele Menschen strömten an diesem Abend in Kölns renommierten Konzertsaal. So viele, dass nicht für jeden ein Platz zu ergattern war – so groß war das Interesse der Kölner Stadtgesellschaft, das Reformationsjubiläum nicht nur zu Hause in den Gemeinden und in Gottesdiensten, sondern auch in Form eines festlichen Konzertes mitzufeiern.

Chor und Orchester faszinierten die Zuhörer beim Festakt 500 Jahre Reformation in der Kölner Philharmonie


Musik aus drei Jahrhunderten
Das Gürzenich-Orchester hatte gemeinsam mit Kölner Chören ein vielseitiges und spannendes Konzertprogramm mit Werken aus drei Jahrhunderten vorbereitet. Die musikalische Leitung lag in den Händen von Hartmut Haenchen, der zu Recht derzeit als einer der vielseitigsten Dirigenten im Opern- und Konzertbetrieb bezeichnet wird, dessen Repertoire ganz unterschiedliche Epochen, Genres und Stile umfasst und der wie wenige andere Dirigenten für die friedenstiftende Kraft der Musik steht.

So begann das Konzert mit der festlichen Feuerwerksmusik-Ouverture von Georg Friedrich Händel aus dem Jahr 1749, die Händel anlässlich des Aachener Friedens im Auftrag des Königs George II. komponiert hatte. Händels Vorliebe für „military instruments“, also für große Blech- und Holzbläserbesetzung und Pauken bei Aufführungen im Freien, ist musikwissenschaftlich belegt. Diesen Vorgaben folgte Haenchen, indem er sich bei der Aufführung nicht an einer filigranen, transparenten und historisierenden Barock-Besetzung auf Originalinstrumenten orientierte, sondern das Gürzenich-Orchester in einer opulenten Besetzung mit deutlich mehr als zwanzig Bläsern, großem Streicherapparat und aufwändigem Schlagwerk erklingen ließ. Ergänzt wurde der theatralische Klang durch den Einsatz der großen Philharmonie-Orgel, die – gespielt von Peter Dicke – den voluminösen Orchesterklang mit sinfonischer, an eine englische „Town-Hall-Organ“ erinnernde Registrierung rundete und damit für eine beeindruckende Klangsättigung im Rund der Philharmonie sorgte.

Grußworte der Oberbürgermeisterin und des Stadtsuperintendenten
Nach diesem klangvollen Auftakt traten Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Stadtsuperintendent Rolf Domning gemeinsam auf die Bühne. Die Oberbürgermeisterin zitierte zunächst den heiligen Augustinus mit den Worten „Wer singt, betet doppelt“ und schlug dann sogleich die Brücke zu Martin Luther, der, so Reker, „diesem Satz bestimmt auch zustimmen würde.“ Luther, so Reker weiter, habe die Musik als Geschenk und Gabe Gottes bezeichnet und in ihr eine treibende Kraft der Reformation und ein verbindendes Element zwischen den Menschen gesehen. Sie sei für Luther ein „Gottesbeweis“ und ein „irdischer Vorschein auf himmlische Freuden“ gewesen.

Stadtsuperintendent Domning griff Rekers Worte auf und erinnerte an die besondere Atmosphäre am Vorabend zum großen Jubiläum. Er verglich diese mit einem konzentrierten Innehalten und einem ruhigen Moment voller Energie, bevor es losgehe. „Was Luther wohl am Vorabend gedacht hat? Ob er Zweifel hatte? Ob er die Sprengkraft seiner Gedanken geahnt hat?“, diese Fragen stellte Domning in den Raum. Grund dafür hätte es sicher genug gegeben, habe doch die Reformation bis heute prägende Wirkung auf unser Leben, so zum Beispiel in der Gesetzgebung, in Sprache, Kultur und Musik, in der Mediennutzung, in den Werten und - nicht zuletzt – in unserem Glauben.

Und Domning warnte davor, das Reformationsjubiläum mit einer Tendenz zur Gemütlichkeit zu begehen. Es sei „der evangelischen Kirche wichtig, dass wir den Blick nach vorne wenden“, fuhr des Stadtsuperintendent fort, lobte das in der Reformationsdekade neu gewachsene intensive ökumenische Miteinander und kündigte an, dass die evangelische Kirche sich auch weiterhin leidenschaftlich und streitbar – und auf der Suche nach guten Lösungen – in die Stadtgesellschaft einbringen werde.

Mahnende Klänge von Bernd Alois Zimmermann
Als zweites Stück des Konzertabends erklang dann die bewegende „Sinfonie in einem Satz“ von Bernd Alois Zimmermann, die der 1918 geborene Kölner Komponist in den frühen fünfziger Jahren und damit in der Nachkriegszeit geschrieben hat. Das beeindruckende Werk aus dem 20. Jahrhundert mit seiner herben, durch freie Atonalität und dissonanter Reihentechnik geprägte Orchesterstück schlug einen ganz anderen Tonfall an und forderte Musikerinnen und Musiker sowie das Publikum gleichermaßen heraus. Es schien eine gelungene Antwort auf die Mahnung von Stadtsuperintendent Domning zu sein, das Reformationsjubiläum nicht zum „gemütlichen“, selbstgefälligen Rückblick, sondern vielmehr als Impuls für ein weiteres beherztes Sich-Einmischen der Kirchen in Gesellschaft und Politik in einer an vielen Stellen unfriedlichen Welt zu nehmen.

Lobgesang mit fünf Chören
Den Schlusspunkt des Konzertes setzten Hartmut Haenchen und das Gürzenich-Orchester mit der Aufführung der Sinfonie Nr. 2 „Lobgesang“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, einem der zentralen Chor- und Orchesterkompositionen des 19. Jahrhunderts. Das Stück war programmatisch klug gewählt, schrieb Mendelssohn es doch anlässlich 400. Jubiläums der Erfindung des Buchdrucks, der mit der Verbreitung der reformatorischen Gedanken und der deutschen Bibelübersetzung durch Martin Luther untrennbar verbunden ist. Insgesamt fünf renommierte Kölner Chöre hatten sich für dieses ökumenische Projekt zusammen gefunden. So wirkten aus dem Chor des Bach-Vereins Köln, dem Gürzenich-Chor, der Kartäuserkantorei, dem Oratorienchor und Mitgliedern der Kölner Domchöre deutlich mehr als 200 Sängerinnen und Sänger mit. Klangvoll unterstützt von Andreas Meisner an der Philharmonie-Orgel bildeten die Chöre und das Orchester ein kompaktes und homogenes Klanggebilde, welches Hartmut Haenchen mit sicherer Hand und gutem Gespür für dynamische Finessen und lebendige Tempi durch die vielteilige Komposition führte. Besonders zu erwähnen ist auch das Solisten-Terzett mit den beiden Sopranistinnen Anna Lucia Richter und Esther Dierkes sowie dem Tenor Patrick Grahl. Alle drei gestalteten ihre Partien makellos und mit hoher Präsenz im Raum.

Lutherbrezeln nach dem Konzert
Der anschließende Empfang im Foyer der Philharmonie bot noch vielfältige Gelegenheit zur Begegnung zwischen Publikum, Ehrengästen und Musikern. Ein Angebot, vom dem reichlich Gebrauch gemacht wurde und das am Vorabend des Reformationsjubiläums gute Möglichkeiten zum Meinungsaustausch bot. Dazu gab es spezielles Luther-Jubiläumsgebäck: Brezeln in Form der Zahl 500, die ebenfalls reißenden Absatz fanden.



Text: Wolf-Rüdiger Spieler
Foto(s): Wolf-Rüdiger Spieler