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Projektberichte

24.07.2017
Martin Luther ein klangliches Monument gesetzt
„Evangelisches Fest der Kirchenmusik“ im Altenberger Dom live im WDR übertragen

„Es macht mir ungeheuren Spaß, monumentale Werke aufzuführen“, sagt Andreas Meisner direkt nach dem Konzert im Altenberger Dom. Gerade noch hat er die deutlich mehr als hundert Sängerinnen und Sänger seiner beiden Chöre, der Domkantorei Altenberg und des Oratorienchors Köln, und die Musikerinnen und Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen dirigiert, die bis vor wenigen Minuten noch den gesamten Altarraum des Altenberger Domes aufgefüllt hatten.

Der Oratorienchor Köln, die Domkantorei Altenberg und die Neue Philharmonie Westfalen spielten Werke der Romantik und der Spätromantik.

Im Jahr des Reformationsjubiläums hat hier gerade ein „Evangelisches Fest der Kirchenmusik“ stattgefunden. Und hunderte Menschen sind gekommen, haben den Dom bis auf den letzten Platz gefüllt und miterlebt, wie Meisner ein gewaltiges Klangmonument für Martin Luther errichtet hat. Dank einer Live-Übertragung von WDR 3 konnte auch das Radio-Publikum daran teilhaben.

Musik als Verkündigung
Bereits in seiner grundlegenden Schrift „Über die Künste“ von 1530 legte Martin Luther ein bezeichnendes Bekenntnis ab: „Ich gebe der Musik den ersten Platz nach der Theologie“. Und weiter: „Ich liebe die Musik, und es gefallen mir die Schwärmer nicht, die sie verdammen, weil sie ein Geschenk Gottes und nicht der Menschen ist, weil sie die Seelen fröhlich macht, weil sie den Teufel verjagt, weil sie unschuldige Freude weckt.“ So bildet bis heute die Musik in der evangelischen Kirche ein bestärkendes, die Gemeinschaft förderndes Element im kirchlichen Leben.

Über weite Strecken doppelchörig
Dem trug Domorganist Andreas Meisner mit seinem Programm für das „Evangelische Fest der Kirchenmusik“ Rechnung: Er hatte Werke der Romantik und Spätromantik zusammengestellt und folgte in der Konzertdramaturgie dem Prinzip der Steigerung. Den Auftakt bildete der achtstimmige Psalm 98 „Singet dem Herrn ein neues Lied“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Mendelssohn hat das Werk – durchaus mit Bezug auf die Motetten Johann Sebastian Bachs – über weite Strecken doppelchörig komponiert. Hierdurch bot das schlanke und elegante Werk dem Publikum einen ersten Eindruck von den Möglichkeiten des Raumklangs, wie ihn eine Kirche wie der Altenberger Dom bietet.
Domorganist und Kirchenmusikdirektor Andreas Meisner grandios beim Dirigat

Der Kirchenmusikdirektor blieb bei Mendelssohn und führte mit dem Orchester dessen 5. Sinfonie, die Reformationssinfonie, auf. Das viersätzige Werk, das bereits 1832 uraufgeführt wurde, zitiert klanggewaltig im letzten Satz den Reformationschoral „Ein feste Burg ist unser Gott“.

Uraufführung im Jahr 1910
Musikalischer Höhepunkt des Konzertes war die Aufführung des 100. Psalms „Jauchzet dem Herrn“ in der Vertonung von Max Reger. Dieses monumentale Werk für Chor, Orchester und Orgel entstand in den Jahren 1908 und 1909. Reger schrieb es anlässlich der 350-Jahr-Feier der Universität Jena und, um der Universität für die Verleihung der Ehrendoktorwürde zu danken. Die Uraufführung fand 1910 unter Regers persönlichem Dirigat in Chemnitz statt. Das Werk ist im Chorsatz mit seinen oftmals geteilten Stimmen sehr dicht komponiert und auch der Orchestersatz ist farbenreich und hochkomplex instrumentiert. Es stellt extreme musikalische und konditionelle Anforderungen an die Ausführenden und steht damit durchaus in einer Reihe mit der 8. Sinfonie von Gustav Mahler oder dem „Te Deum“ von Hector Berlioz.

Doppeltes Zitat
Die vier Sätze greifen die verschiedenen Verse des 100. Psalms auf und tragen die Titel „Jauchzet dem Herrn alle Welt“, „Erkennt, dass der Herr Gott ist“, „Gehet zu seinen Toren ein“ und „Denn der Herr ist freundlich“. Und wieder bildete, wie bei Mendelssohns fünfter Sinfonie, der Luther-Choral „Eine feste Burg ist unser Gott“ den Abschluss. Selten dürfte der gotische Altenberger Dom durch das Zusammenwirken von Dom-Orgel, Riesenchor, sinfonischem Orchester und achtfach besetztem Fernorchester klanglich so gesättigt gewesen sein wie beim „Evangelischen Fest“ zum Jubiläum „500. Reformation“. Meisner und seine Musiker haben mit dem doppelten Zitat des bekanntesten und stärksten Identifikationsliedes „Ein feste Burg“ dem Reformator Martin Luther ein klangliches Monument gesetzt.

Der musikalische Abend war mit dem Schlussapplaus noch nicht zu Ende: Nach einer Zugabe in Form eines von Rolf Müller an der Domorgel intonierten Orgelstückes von Mendelssohn gab es im Anschluss für alle Luther-Bier und Brezeln vor dem Dom.



Text: Wolf-Rüdiger Spieler
Foto(s): Andreas Meisner/Privat