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Projektberichte

02.12.2017
Allein die Schrift - Allein Gottes Wort
Feierstunde im Haus der Evangelischen Kirche zum Thema „Die Evangelische Bibliothek im Reformationsjahr“

Allein die Schrift – sola scriptura – ist einer der vier zentralen reformatorischen Grundsätze. Und vor allem der Schrift hat sich natürlich auch die Universitäts- und Stadtbibliothek verschrieben. Da lag es im Jubiläumsjahr der Reformation nahe, dass auch die Universitäts- und Stadtbibliothek dieses Ereignis mit einer Abendveranstaltung aufgriff. Die war mit „Die Evangelische Bibliothek im Reformationsjahr“ überschrieben. 2004 wechselten 70.000 Bände aus dem Haus der Evangelischen Kirche in die Uni-Bibliothek. „Diese Schenkung mag schmerzlich gewesen sein, aber sie war gut und richtig. Denn der Fundus, der früher hier im Haus der evangelischen Kirche aufgehoben wurde, erreicht in der Universitäts- und Stadtbibliothek eine ungleich größere Leserschaft. Was gesellschaftlich relevant ist, muss auch breit zugänglich sein – dieser Aussage hätte Luther sicher auch zugestimmt. Mit der Integration unseres Fundus in Ihre Bibliothek wurde die Weiterarbeit unter weit besseren Bedingungen ermöglicht, als wir sie je hätten schaffen können. Dafür und auch für die heutige Veranstaltung gebührt Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Schmitz stellvertretend für die Universitäts- und Stadtbibliothek unser Dank“, sagte Beate Wegmann-Steffens, Leitende Verwaltungsdirektorin des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, in ihrem Grußwort.

Dr. Hubertus Neuhausen,Dr. Jürgen Wilhelm, Beate Wegmann-Steffens, Professor Dr. Wolfgang Schmitz


„Mit Luther beginnt ein Umbruch auf kultureller, technischer und gesellschaftlicher Ebene. Medienwissenschaftler sprechen heute vom Beginn eines neuen Zeitalters: der Gutenberg-Galaxis, wie es der kanadische Medienwissenschaftler Marshall McLuhan prominent genannt hat, oder: dem Zeitalter der Massenmedien. Die Lutherbibel ist das erste Werk, das über das Medium Buchdruck in ganz Europa verteilt wird. Luther hatte ein gutes Gespür für die ‚Neuen Medien‘ seiner Zeit. Heute, 500 Jahre später, stehen wir am Beginn der digitalen Moderne. Das Wissen der Welt war noch nie so gut vernetzt, aber es war auch noch nie so kurzlebig. Entgegen aller Befürchtungen hat das Internet die Druckkunst keineswegs verdrängt. Im Gegenteil: das Sterben des Print, wie es noch vor zehn Jahren befürchtet wurde, ist nicht eingetreten“, fuhr Wegmann-Steffens fort und erinnerte an die Gründung der Evangelischen Bibliothek Köln im Jahr 1857.

Nach dem zweiten Weltkrieg umfasste der Bestand der Bibliothek 3.000 Bände, die auch von 20 katholischen Nutzern gelesen wurden. Das war auch ein Zeichen beginnender Ökumene, so die Verwaltungsdirektorin. Dr. Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland, erinnerte sich an seine Besuche in dem Bibliothekstrakt der Kartause, der abgerissen wurde und dem neuen Verwaltungsgebäude des Diakonischen Werkes Platz gemacht hat: „Ich habe die Architektur dieses 60er-Jahre-Baus geliebt.“ Wilhelm warf einen Blick in die Geschichte der Evangelischen in Köln. „1520 hat man Luthers Schriften hier verbrannt. Heute stehen sie unter der Signatur EKB – Evangelische Bibliothek Köln – in der Universitätsbibliothek. Dort werden sie von Studenten vielfach ausgeliehen.“

Wilhelm erinnerte auch an die „politische Befreiung Kölns“ durch die Franzosen, in deren Folge ab 1802 in Köln protestantische Gottesdienste erlaubt waren. Fortan genossen die Evangelischen die gleichen Bürgerrechte wie die Katholischen, was auch, so Wilhelm, zur Gründung der Bibliothek beitrug. „Allein Gottes Wort“ lautete der Titel des Vortrags von Professor Dr. Wolfgang Schmitz, Leitender Bibliotheksdirektor a. D. Der Universitäts- und Stadtbibliothek, im Haus der Evangelischen Kirche. „Die Bibel ist eine sprachlich verdichtete Mitteilung Gottes“, leitete er seine Ausführungen ein. Im 15. Jahrhundert habe es nur Bibeln in lateinischer Sprache gegeben. Deshalb sei die Lektüre der Schrift nur dem Klerus vorbehalten gewesen. „Das war auch so gewollt“, sagte Schmitz. Denn nach Meinung des Klerus in jener Zeit hätte eine unzureichend vorbereitete Bibellektüre durch Laien das Risiko von Irrtümern unkontrollierbar erhöht.

Schmitz verwies auf eine so genannte „Armenbibel“ aus Paris aus dem ausgehenden 15. Jahrhunderts. Die enthielt im Holztafeldruck leicht zu verstehende Bibelszenen in Bildern. Kein Vergleich zur Gutenberg-Bibel, die mit beweglichen Lettern gedruckt worden war. „In 30 Exemplaren auf Pergament. Denn das war teuer. Für diese Exemplare musste man 9.000 Schafe schlachten, um deren Haut zu verarbeiten“, berichtete der ehemalige Bibliotheksdirektor. Wahrscheinlich erschien diese Bibel schon 1456. „Die gedruckte Bibel war nur schwer von den abgeschriebenen Exemplaren jener Zeit zu unterscheiden. Die Initialen und die Bilder waren per Hand von Buchmalern hinzugefügt.“ Sprachlich, so Schmitz, seien die deutschen Bibeln jener Zeit von schlechter Qualität gewesen: „Das Original wurde nur Wort für Wort übersetzt.“ Das änderte sich mit Luther grundsätzlich. Nicht zuletzt deshalb, weil Luther für seine Übersetzung die „sächsische Kanzleisprache“ verwendet habe. Diese können als eine der Grundlagen des „Standard-Deutschs“ gesehen werden.

„Luther hat 1522 in zehn Wochen auf der Wartburg die Bibel übersetzt. Und er hat dabei immer an das Volk gedacht, dem er wortwörtlich aufs Maul geschaut hat“, erklärte Schmitz. „Der hat die Bibel wirklich genial übersetzt.“ Aber auch das Layout hob die Luther-Bibel von anderen Druckwerken im frühen 16. Jahrhundert ab. „Die Schrift-Typen waren klarer. Der Text war lockerer gesetzt und deshalb im Vergleich zu früheren Drucken viel besser lesbar. Luther setzte das Wort frei und ordnete ihm das Bild unter.“ 1534 sei eine neue Gesamt-Ausgabe der Luther-Bibel mit Abbildungen eines Cranach-Schülers erschienen. Die Überschriften waren nicht mehr farbig aber größer als der Text. Es gab keine Abkürzungen mehr. Und die Verbreitung war “unglaublich“, so Schmitz: „Es wurde damals eine Million Exemplare verkauft. Bei einer Bevölkerungszahl von 15 Millionen.“



Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann