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Projektberichte

06.05.2014
Neue Website und zahlreiche Veranstaltungen zur Reformationsdekade bis 2017
Professor Dr. Wolfgang Thönissen, Dr. Rupert Neudeck und Dr. Wolfgang Thierse kommen nach Köln

2017 jährt sich der berühmte Thesenanschlag zum 500. Mal, mit dem Martin Luther den Beginn der Reformation einläutete und in der Folge Deutschland und Europa unwiderruflich veränderte. Unzweifelhaft ein Grund zum Feiern für alle Protestanten also, und so mutete es zunächst ungewöhnlich an, als der Leiter der Melanchthon-Akademie, Pfarrer Dr. Martin Bock, beim Pressegespräch anlässlich des „Kölner Starts der Vorbereitungen zur Reformationsdekade“ verkündete: „Die Reformation gehört uns nicht.“

Altpräses Manfred Kock, Dr. Bernhard Seiger und Dr. Martin Bock (v.l.) beim Pressegespräch zum Auftakt zahlreicher Veranstaltungen während der Reformationsdekade.

"Es geht nicht um die Gründung einer Kirche"
Weshalb das nur auf den ersten Blick befremdlich ist, erläuterte Pfarrer Dr. Bernhard Seiger. Der Superintendent des Kirchenkreises Köln-Süd ist Vorsitzender des mit Pfarrern, Superintendenten und Professoren hochkarätig besetzten „Arbeitskreises Reformationsdekade des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region“, der seit gut einem Jahr tagt. „Die Reformation war vor allem ein geistiger Neuanfang, das Ende des Mittelalters und der Beginn der Neuzeit, als Freiheit und Individualität zu bedeutsamen Themen wurden“, so Seiger. „Es geht nicht allein um die Gründung einer Kirche, sondern um die Wiederentdeckung des Evangeliums, der Schrift als Grundlage des Glaubens.“

Ökumenischer Geist der Jubiläumsfeierlichkeiten
Weil die Aufbrüche des 16. Jahrhunderts bis hin zum Zweiten Vatikanischen Konzil der Katholiken Auswirkungen auch auf die Schwesterkirchen und sogar andere Religionen hatten und immer noch haben, soll das große Datum in Köln wann immer möglich mit Katholiken, Orthodoxen, Mitgliedern von Freikirchen oder auch der jüdischen Gemeinde gemeinsam begangen werden. Den ökumenischen Geist der Jubiläumsfeierlichkeiten betonte Altpräses Manfred Kock ebenfalls: „Die Zukunft darf nicht konfessionalistisch sein, wir dürfen andere Konfessionen nicht als Bedrohung empfinden.“

Glaubensfanatismus und Antisemitismus
So scheut er sich andererseits auch nicht, im Rahmen seines Seminars „Räume der Freiheit - evangelisch im 21. Jahrhundert“, das an acht Montagabenden im Mai und Juni ab 18 Uhr in der Antonitercitykirche stattfindet, die „dunklen Seiten“ in der Geschichte der Evangelischen Kirche zu beleuchten. Am 12. Mai geht es unter anderem um Glaubensfanatismus, die Missachtung von Menschenrechten und Luthers verhängnisvollen Antisemitismus. Am 2. Juni etwa lautet das Thema „Kirche und Geld“, zum Abschluss am 21. Juni referiert Kock über „Ethische Herausforderungen im 21. Jahrhundert“: „Nach dem Vortrag gibt es immer reichlich Gelegenheit zum Gespräch“, sagte der Altpräses. „Und die acht Vorträge bilden zwar eine zusammenhängende Reihe, aber sie sind auch jeweils für sich verständlich.“

Referenten für die Kirchengemeinden
Dass dies 2014 nicht die einzigen Termine zum Thema „500 Jahre Reformation“ sind, können Interessierte auf der gleichnamigen Web-Seite nachlesen, die jetzt online (2017.kirche-koeln.de) gegangen ist. Unter den Porträts von sechs wichtigen Persönlichkeiten der Reformation, die beim Anklicken deren Kurzbiografien freigeben, muss der Besucher nur auf einer Stichwortleiste die Rubrik „Veranstaltungen“ auswählen und findet dort bis zum 12. Dezember insgesamt 26 Vorträge, Diskussionsabende oder Predigten. Am 4. November etwa referiert Professor Dr. Wolfgang Thönissen im Domforum darüber „Was Katholiken von Luther und der Reformation lernen können“, am 15. November predigt Dr. Rupert Neudeck in der Trinitatiskirche zum Thema „Jeder Tag ist Weltgericht“, am 20. Oktober spricht Dr. Wolfgang Thierse über die "Christlichen Grundlagen politischer Verantwortung" und am 31. August heißt es in Altenberg "Vom kleinen Martin zum großen Luther". Unter „Materialien“ entdeckt man eine Liste mit Büchern, Filmen, Internetforen und andere Medien zum Thema Reformation, und wenn eine Gemeinde selbst eine Veranstaltung zum Jubiläum plant, dann können sich die Organisatoren unter „Service“ darüber informieren, welche Referenten für welche Themen zur Verfügung stehen. Das Angebot steht auch für Schulen offen. Und wenn Kirchengemeinden eigene Veranstaltungen organisieren, können diese über das Amt für Presse und Kommunikation auf der Veranstaltungsseite aufgenommen werden.

"Weg der Erinnerung" zu Clarenbach und Fliesteden
Die Zahl und Vielfalt der Veranstaltungen wird bis 2017 sicher steigen. Über rund 20 Projekte werde derzeit schon eifrig mit Politikern und möglichen Geldgebern gesprochen, sagte Seiger, drei seien schon „spruchreif“. So soll 2016 auf einem „Weg der Erinnerung“ gemeinsam mit katholischen Partnern der Hinrichtung von Adolf Clarenbach und Peter Fliesteden als „Ketzer“ im Jahre 1529 gedacht werden, im Jahr darauf wird im Rahmen eines Mitsing-Projekts "500 Jahre - 500 Stimmen" die zweite Sinfonie von Mendelssohn-Bartholdy in der Philharmonie aufgeführt. Und im „Kölner Psalter“ sollen von Januar 2016 bis Juni 2017 je eine evangelische Gemeinde und eine Partnergemeinde in ökumenischer Verbundenheit einen Psalm aus dem Alten Testament auswählen und ihn musikalisch, bei Diskussionsveranstaltungen oder als Theaterspiel behandeln. „Das wäre auch ein idealer Andockpunkt für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“, meinte Seiger.

Veranstaltungen und Kooperationen
Wenn es um die Kooperationsbereitschaft der Katholiken bei solchen Projekten geht, zeigte sich Dr. Martin Bock verhalten optimistisch: „Vor fünf Jahren, als die Reformationsdekade begann, hieß es noch: ‚Was haben wir damit zu tun?’. Aber da hat inzwischen ein Lernprozess eingesetzt.“ Entscheidend sei allerdings, wer die Nachfolge von Joachim Kardinal Meisner antrete - und da werde man wohl bis zum Ende des Jahres warten müssen.



Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans