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Projektberichte

13.05.2017
Lange "Orgelnacht" in der Antoniterkirche
Stephan Graf von Bothmer begleitete Luther-Stummfilm an der Orgel

Draußen war gerade die Sonne untergegangen. Die Geschäfte auf der Schildergasse hatten geschlossen. Und die Straßenmusiker hatten mangels zahlender Laufkundschaft ihre Instrumente eingepackt: Perfekte äußere Bedingungen für ein außergewöhnliches cineastisch-musikalisches Ereignis in der Antoniterkirche. Dort wurde die Stummfilm-Rarität "Luther" aus dem Jahr 1927 gezeigt. Der Komponist und Musiker Stephan Graf von Bothmer begleitete den Film an der Orgel.

Der Komponist und Musiker Stephan Graf von Bothmer begleitete des Stummfilm über Luther aus dem Jahr 1927 an der Orgel in der Antoniterkirche.

Man darf sicher sagen: Es war ein Erlebnis. Unvergesslich bleibt wohl in Bild und Ton das Gewittererlebnis, in dem Luther schwört, dass er ins Kloster geht, wenn er das Unwetter überlebt. Bothmer erzeugt auf der Orgel ein solches Donnergrollen, dass es wohl niemanden überrascht hätte, wenn Blitze durch die Antoniterkirche gezuckt wären.

Der Film beschreibt das Leben Luthers
Der Film erzählt die Lebensgeschichte des Reformators. Er beginnt mit Luthers Studium der Rechtswissenschaften, erzählt von dem Besuch einer Dorfschule, in der er die Schüler ermuntert, sich der Strenge ihres Lehrers und dem Mönchsleben mit seinen Selbstkasteiungen zu entziehen und stattdessen dem Bibelstudium zu widmen und der Erkenntnis zu folgen, dass Gott barmherzig und nicht strafend ist. Natürlich dürfen auch der Thesenanschlag, der Reichstag in Worms und der Aufenthalt auf der Wartburg nicht fehlen.

Fulminates Orgelspiel zum Film
All diese Szenen werden mit Texteinblendungen überbrückt und von Bothmers furios-präzisem Orgelspiel interpretiert. Für den Musiker ist der Film ein "wunderbares Dokument", das den Blick auf Luther vor 90 Jahren widerspiegelt: "Ein Kritiker damals hat das Werk eine religiöse Revue genannt." Der Kritiker ist Leo Hirsch, der den Film im Berliner Tageblatt durchaus kritisch rezensierte: "Martin Luther wird dargestellt als deutscher Heiland und mit sich ringender Revolutionär. Aber all das, wogegen der historische Luther rebellierte, wird nur verstohlen gezeigt. Die Weltlichkeit der Papisten, die das Volk aussaugten, erscheint in wundervollen Aufnahmen, die Not des Volkes oft als ein Fastnachtstrubel mit lustigem Ablassbetrieb. Während der Ablasshandel nur der Anstoß, höchstens der Anlass der Revolte Luthers war, erscheint er hier als Ursache, und das ist, selbst im Verein mit einer Vision und selbst eine Revue nicht stichhaltige Motivierung."

Die Besucher waren angetan
Sabine Löbel hat es trotzdem ausgesprochen gut gefallen. Sie ist eigens aus dem Bergischen nach Köln gekommen, um sich den Film anzusehen. Ihr Fazit: "Es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Durch die Musik wirkt der alte Schwarz-Weiß-Film irgendwie sehr modern. Am besten gefallen hat mir die Szene in Rom, als die Wallfahrer auf Knien die Treppe hochrutschen und von päpstlichen Soldaten weggestoßen werden, weil die Platz schaffen wollen für Würdenträger der Kurie. Als dann noch der Papst auf dem Thron mit Pfauenfedern erscheint, kann man nachempfinden, dass Luther angewidert war."

Den Katholiken missfiel der Film
Angewidert ist das Stichwort für die Katholiken aus Bayern. Die empfanden den Film als ausgesprochen antikatholisch. Bei der inoffiziellen Uraufführung am 17. Dezember 1927 gab es "Anlass zu schweren Auseinandersetzung zwischen Vertretern des katholischen und des protestantischen Religionsbekenntnisses", so eine zeitgenössische Quelle. Der mit Spendengeldern finanzierte und von Hans Kyser inszenierte Film wurde in der Folge von der Zensur an 40 Stellen verändert, bevor er am 16. Februar 1928 im Berliner Ufa-Palast am Zoo öffentlich uraufgeführt wurde. Im Jahr des Reformationsjubiläums hat man die Restaurierung des Originals im Filmarchiv des Bundes abgeschlossen.

Dem Film ging ein musikalisch vielfältiges Programm voraus
Der Stummfilm war der Schlusspunkt der "Langen Orgelnacht für Martin Luther", die von 18 Uhr bis 23 Uhr, in der Antoniterkirche stattfand. Nach einer kurzen Andacht zu Beginn spielte Johannes Quack die 16. Orgelsinfonie von Enjott Schneider. Anschließend war die Reformationssinfonie von Felix Mendelssohn zu hören. An der Orgel saß Marc Jaquet. Johannes Geffert schließlich brachte den "3. Theil der Clavierübung" zu Gehör.

Nächste Aufführungstermine
Wer den Film verpasst hat, kann diesen in Nordrhein-Westfalen das nächste Mal bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen, am Sonntag, 4. Juni, 11 Uhr, im Ruhrfestspielhaus, Otto-Burrmeister-Allee 1, sehen. Bothmer wird auch dort die musikalische Begleitung übernehmen. Der Eintritt kostet 23 Euro. Ausleihen kann man den Film beim Bundesarchiv . Die Ausleihe kostet für Private und Gemeinden rund 30 Euro.



Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann